In strengem Geist
Fono Forum, Februar 2010, Seite 77
Unter den vielen Michelangeli-Aufnahmen des Schumann-Konzerts ist dieser Pariser Mitschnitt das, wenn man so will, Altersdokument, aber keineswegs „noch’n Gedicht“: Mir scheint, als habe hier seine Vision von strenger Größe der Musik, die er bei seinen Auftritten schon durch seine verschlossene Miene so unnachahmlich kundtun konnte, eine überzeugende Verwirklichung gefunden.
Obwohl das Beiheft den Pianisten mit dem Wort zitiert, er müsse mit einem Stück vor jedem Konzert „bei null“ wieder anfangen, ist nichts in seiner Interpretation wirklich neu: Man trifft bis in Einzelheiten auf die alten „ABM“-Nuancen, etwa auf das eher hurtig als „grazioso“ genommene Thema des Mittelsatzes oder auf den bassverstärkten Themeneinsatz im Finale. Und wer auf romantischen Stimmungszauber oder blitzende Spontaneität hofft, wird nicht auf seine Kosten kommen. Aber das Musizieren hat Gewicht, klingt nachdenklich, manchmal fast inständig und streng (nicht im metronomischen Sinne – die häufigen breiten Hervorhebungen sind immer schnell durch Temporaffungen wieder aufgefangen). Insgesamt ein wertvolles Dokument, dessen Wirkung durch ein überraschend gut mitziehendes Orchester verstärkt wird. Die zugegebenen Debussy-Images aus einem zwei Jahre zuvor in Paris gegebenen Solorecital bieten ein ähnliches Bild, können allerdings nicht ernsthaft mit der DG-Produktion von 1971 in Konkurrenz treten.
Ingo Harden
Schumann, Klavierkonzert; Debussy, 4 Images; Arturo Benedetti Michelangeli; Orchestre de Paris, Daniel Barenboim (1984/1982);
DG/Universal CD 028947785699 (54’)
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