Emilie Reichold (um 1810–nach 1835)

Die Pianistin Emilie Reichold kam 1826 nach Leipzig, um sich bei Friedrich Wieck ausbilden zu lassen. Da er ihre Fähigkeiten sehr schätzte, ließ er sie zeitweise Clara Wieck unterrichten. Auch die „wissenschaftliche Ausbildung“ (Jugendtagebücher, S. 40) Claras übernahm Emilie Reichold, und gemeinsame Konzert- und Theaterbesuche waren Teil des musikalischen Unterrichts. Nach nur wenigen Monaten trat Emilie Reichold am 19. Oktober 1826 zum ersten Mal im Gewandhaus öffentlich auf, wo sie bis 1830 noch weitere Konzerte gab. Robert Schumann urteilte 1828: „Die Reichold entwikelte viel Grazie beym Clavierspiel.“ (Tagebücher, Bd. 1, S. 110). Sie ließ sich von Friedrich Wieck, in dessen Haus sie auch wohnte, bis zum Jahr 1830 weiter ausbilden. Ihr Repertoire umfasste Klavierwerke u.a. von Mozart, Beethoven, Czerny, Kalkbrenner, Herz, Ries, Kalliwoda und Moscheles.

In Clara Wiecks Debütkonzert im Leipziger Gewandhaus am 20. Oktober 1828 spielte Emilie Reichold mit ihr vierhändig die Variationen von Friedrich Kalkbrenner op. 94, und zwar auf dem Flügel von Andreas Stein, der heute im Robert-Schumann-Haus in Zwickau steht. Die neunjährige Clara Wieck schrieb ins Tagebuch: „Es ging sehr gut und ich habe nicht gefehlt, fand auch vielen Beifall.“ (Jugendtagebücher, S. 48). Clara Wiecks erster öffentlicher Auftritt ist also aufs engste mit Emilie Reichold verknüpft.

1830 heiratete Emilie Reichold den Kaufmann Gustave Werner (1803–1897) und zog mit ihm nach Frankreich. Leider verliert sich hier ihre Spur, 1835 war sie nochmals in Leipzig zu Besuch, Clara Wieck bemerkte am 22. Oktober 1835 in ihrem Tagebuch: „Um auf M.[adame] W.[erner] zu kommen, so muß man sagen daß sie in Etienne [Saint-Ètienne, Anm. T.S.] ganz versauert ist.“ (ebd., S. 198). Laut einer Notiz der Allgemeinen musikalischen Zeitung vom 14. April 1830 (Nr. 15, Sp. 241) wollte sich Emilie Reichold in Frankreich als Klavierlehrerin niederlassen.

Auch wenn Emilie Reicholds Spur, und die Schrift ihres Stammbucheintrags für Clara Wieck, verblasst ist – sie hat der jungen Pianistin eine bleibende Widmung hinterlassen, die als Lebensmotto Claras gelesen werden kann.

„Suche nie die Anerkennung Deines Strebens nach Vollendung in der Außenwelt. – Dein eigenes Gefühl für das einzig Schöne und die Kunst selbst, welche Dir die schönsten Stunden in einer idealen Welt bieten kann, werden Dir manchen Ersatz für Nichtiges geben.

Leipzig, den 2ten Jan:
1830 Emilie Reichold.“


(Transkription Theresa Schlegel)

Vgl. Annkatrin Babbe: Artikel „Reichold, Emilie, verh. Werner“, in: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2010. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann. Online unter: https://www.sophie-drinker-institut.de/reichold-emilie [31.8.2020].

Vgl. Clara Wieck, Jugendtagebücher 1827‒1840, hrsg. von Gerd Nauhaus und Nancy B. Reich unter Mitarbeit von Kristin R.M. Krahe, Hildesheim 2019, S. 40 f., 48 f., 606 f.

Vgl. Cathleen Köckritz: Friedrich Wieck. Studien zur Biographik und zur Klavierpädagogik, Hildesheim u.a. 2007, S. 127‒129.

Vgl. Robert Schumann. Tagebücher. Bd. I: 1827–1838, hrsg. v. Gerd Nauhaus, Leipzig 1971, S. 110.

Stammbuchblatt Emilie Reichold, 2. Januar 1830, (Einzelblatt, 9,5 x 15,3 cm), Album Robert und Clara Schumann, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (Signatur Mus.Schu.231), urn:nbn:de:bsz:14-db-id16656233302 [https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/].

(Theresa Schlegel, 2020)