Die Hauptstadt Preußens und Kunstmetropole Berlin war für Clara und Robert Schumann in vielfältiger Hinsicht ein attraktiver Ort, auch wenn sich die Idee von einer Wirkungsstätte hier nicht realisieren ließ. Zunächst waren es familiäre Verbindungen, die Clara hierher zogen.
Seit der Trennung der Eltern 1824 lebte sie bei ihrem Vater in Leipzig. Erst im April 1835 durfte sie ihre Mutter zum ersten Mal in Berlin besuchen. Sie lebte hier mit ihrem zweiten Ehegatten, dem Musiklehrer Adolph Bargiel, Unter den Linden 27. (Entgegen früheren Annahmen, dass Bargiel in der Kurfürstenstraße gewohnt habe, war laut Berliner Adressbuch von 1835 und 1836 seine Wohnadresse damals Unter den Linden 27: http://digital.zlb.de/ und auch 1836: http://digital.zlb.de/. Ich danke Frau Theresa Schlegel herzlich für den Hinweis und Beleg, I.B., Mai 2017)
Clara Wieck und Robert Schumann fanden während ihrer Verlobungszeit im Bargielschen Familienkreis eine herzliche Aufnahme und „Trost durch Zureden“, wie aus dem Eintrag im Tagebuch 11 am 29. Juli 1839 zu erfahren ist.
„Hättest du nicht Lust, nach Berlin zu ziehen? Mir hat es so wohl da gefallen“, schrieb Robert im Brief an Clara vom 7. August 1839 und er lobte wenige Tage später in einem Brief an Henriette Voigt die Berliner Architektur und die Menschen. So verbrachten sie harmonische Weihnachtstage des Jahres 1839 bei Mariane und Adolph Bargiel in Berlin, obwohl die Zeit getrübt war durch den erbitterten Streit gegen Friedrich Wieck, der Robert Schumann als Schwiegersohn nicht für würdig befand. Während Robert wieder allein nach Leipzig reisen musste, lebte Clara bis zu ihrer Eheschließung bei der Mutter in Berlin.
Am 25. Januar und 1. Februar 1840 gab Clara Wieck zwei Soireen mit Werken von Beethoven, Mendelssohn Bartholdy und einer eigenen Komposition. (NZfM Bd. XII, Nr. 18, S. 70). Bereits am 31. Oktober des Vorjahres hatte sie im Königlichen Schauspielhaus ein umjubeltes Konzert gegeben, bei dem der König anwesend war.
Immer wieder zog es Robert Schumann nach Berlin und er besuchte seine Verlobte Clara mehrfach im Frühjahr 1840. Am 1. Mai 1840 hielt er in einem der drei Haushaltbücher, die sich im Schumann-Nachlass der Staatsbibliothek zu Berlin befinden, fest: „wo ich von Berlin nach glüklichen Tagen zurückkam.“ (Vgl. Robert Schumann, Tagebücher, Band III, Haushaltsbücher Teil 1, 1837-1847, hg. von G. Nauhaus, Leipzig 1982, S. 114)
Schon im Januar 1840 wurden durch das Leipziger Appellationsgericht die von Wieck erhobenen Vorwürfe zur Verweigerung des Ehekonsenses abgewiesen. Schließlich wurde dem Paar Robert und Clara per Gerichtsbeschluss der Weg für eine gemeinsame Zukunft frei gemacht und sie konnten am 12. September 1840 heiraten.
Auch später besuchte Mariane Bargiel oft die Familie Schumann, insbesondere um Clara bei oder nach den Geburten beizustehen und sie kümmerte sich nach Roberts Tod zeitweilig auch um einige der Enkelkinder.
Neben den familiären Beziehungen zu Berlin, gab es aber auch berufliche Meilensteine hier zu verzeichnen. Am 17. Februar 1847 fand in Berlin die erfolgreiche Aufführung des Oratoriums von Robert Schumann „Das Paradies und die Peri“ mit der Sing-Akademie statt. Der Musikschriftsteller Flodoard Geyer schrieb in seiner Rezension: "Schliesslich Hrn. Dr. Schumann persönlich unsere Hochachtung für dieses Werk, welches sicher anderen hier unerklärlich weniger bekannten Schöpfungen desselben die Bahn eröffnen wird!" [Berliner Musikalische Zeitung, 4. Jahrgang, Nr. 9 vom 27. Februar 1847]
Die Schumanns lebten zu dieser Zeit in Dresden. Roberts Hoffnungen auf eine feste Anstellung und neue berufliche Herausforderungen hatten sich dort nicht erfüllt. Er erwog einen Ortswechsel und zog dabei Berlin in Betracht. Das Ehepaar Schumann pflegte auch Kontakte zu den Berliner Salons und den Künstlerkreisen um Felix Mendelssohn Bartholdy, Wilhelm und Fanny Hensel, Henriette Sontag und Pauline Viardot.
Doch mit der Nachricht vom frühen Tod Fanny Hensels am 14. Mai 1847, die eine enge Vertraute Claras geworden war, wurde der Plan eines Umzugs nach Berlin wieder verworfen.
Erst 1850 fand Robert in Düsseldorf seinen neuen Wirkungsort, wo er als Städtischer Musikdirektor eine Anstellung fand.
Eine dauerhafte Beziehung des Ehepaares Schumann zu Berlin entstand schließlich erst nach dem Tod Roberts durch die Überlieferung der Quellen in der Königlichen Bibliothek. Clara ließ sich einige Jahre Zeit für diese Entscheidung und sie hatte es sich nicht leicht gemacht mit der Auswahl des Ortes, den sie als eine „würdige und sichere Stätte“ zur Aufbewahrung und Pflege der Manuskripte ihres Mannes ansah. Andere Städte, wie Frankfurt/Main und Leipzig kamen auch in Betracht, aber sie entschied sich für Berlin.
Durch die Erwerbung von Musikhandschriften berühmter Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven besaß die Berliner Königliche Bibliothek einen hervorragenden Ruf. Seit 1842 existierte eine eigenständige Musikabteilung, die mit ihrem Etat die planmäßige Erwerbung von Musikalien und Fachliteratur verfolgte.
http://staatsbibliothek-berlin.de/musikabteilung/geschichte.html
So übergab Clara schließlich sechs Jahre vor ihrem Tod, im Oktober 1890, den Nachlass der Königlichen Bibliothek zu Berlin als Depositum. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch den Berliner Verlagsbuchhändler Hermann Paetel konnten die Autographen schließlich im Jahr 1904 (siehe Abbildung mit Eintrag ins Akzessionsjournal) für die Bibliothek erworben werden. Sie bildeten den Grundstock für die heutige Schumann-Sammlung in der Staatsbibliothek zu Berlin
(Text: Marina Schieke-Gordienko, Fachreferentin für Musik. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv)