Emilie List (1818–1902) und Elise Pacher von Theinburg geb. List (1822–1893)

Emilie List und ihre kleine Schwester Elise in jungen Jahren Lithographie
Emilie List und ihre kleine Schwester Elise in jungen Jahren Lithographie (Robert-Schumann-Haus, Zwickau)

Die Schwestern Emilie und Elise List waren Töchter des Nationalökonomen Friedrich List (1789–1846) und kamen mit ihrer Familie 1833 nach Leipzig. Sie waren in Tübingen bzw. Stuttgart geboren und hatten mehrere Jahren in den USA verbracht. Beide zählten zu den engsten Freundinnen Clara Schumanns, wobei die Freundschaft zu Emilie, genannt Mila,
noch vertrauter gewesen sein dürfte. Anfangs blickte Clara zu Emilie auf, die sehr musikalisch und sprachbegabt war, später war es eher umgekehrt.

Clara lernte Emilie im Juli 1833 kennen und nahm bei ihr Englischstunden; am 12. Januar 1834 wurden die Freundinnen gemeinsam konfirmiert. Auch Robert Schumann lernte Emilie kennen und schätzen. Emilie wurde 1836 von ihren Eltern in ein Pariser Internat geschickt, um ihre Französischkenntnisse zu verbessern; im Herbst 1837 kam Friedrich List mit Elise nach,
etwas später zog auch seine Frau Karoline mit den anderen Kindern nach.

Als Clara Wieck 1839 allein nach Paris kam, wurde sie von der Familie List herzlich aufgenommen, und die Freundschaft zu Emilie vertiefte sich. Friedrich List machte Clara mit Heinrich Heine bekannt und beriet sie in Fragen des von Robert angestrengten Prozesses gegen Friedrich Wieck, um die Heiratserlaubnis zu erlangen. Als die Familie List nach Leipzig zurückkehrte, trafen Robert und Clara Schumann sie oft. Emilie wirkte einige Jahre als Erzieherin in Bad Kreuznach und Frankfurt am Main und zog nach dem Tod des Vaters nach München, wo sie sich um ihre Mutter und ihre Geschwister kümmerte. Sie war sehr energisch und zielstrebig, interessierte sich zeitlebens für Wirtschaft und Politik und bemühte sich um die Anerkennung der Leistungen ihres Vaters. Auf der anderen Seite opferte sie sich für ihre Familie, insbesondere ihr Schwester Elise auf und war bekannt für ihre feinen Stickereien.
Sie starb 1902.

In der Zeit des Leipziger Verkehrs der Familie List mit dem Ehepaar Schumann ging es vor allem um Elise Lists Sängerkarriere. Elise, das dritte Kind der Lists, hatte schon früh Aufmerksamkeit mit ihrer Stimme erregt und war in Paris ausgebildet worden. Franz Liszt gehörte zu ihren Bewunderern, und dies wohl nicht nur wegen ihrer Stimme, sondern auch wegen ihrer außerordentlichen Schönheit. Felix Mendelssohn Bartholdy wurde um Rat gefragt und riet zu weiterer Ausbildung der Stimme; auch Schumann war von Elises Sopran begeistert. Im Herbst 1840 erhielt sie ein Engagement am Leipziger Gewandhaus, trat jedoch nur vier Mal auf, da der Erfolg nicht groß genug war. Im Februar 1841 ging Friedrich List mit ihr nach Mailand, aber ihre Angst und Aufregung vor dem Konzert waren so groß, daß der Traum einer erfolgreichen Konzertkarriere begraben werden mußte. Elise war unfähig, ihr Lampenfieber zu bekämpfen. Im Winter 1842/43 wurde ein allerletzter Versuch in Berlin unternommen,
aber auch dort war der Erfolg nur mäßig.

Elise List (1822-1893), Stahlstich mit Schabkunst von A. Schultheiss von ca. 1860
Elise List (1822-1893), Stahlstich mit Schabkunst von A. Schultheiss von ca. 1860 (StadtMuseum Bonn) Nach dem Gemälde von Joseph Stieler von 1842/43 für die Schönheitengalerie von König Ludwig I. von Bayern.

1843 malte Joseph Karl Stieler sie für die sogenannte Schönheitengalerie von König Ludwig I. in Schloß Nymphenburg. In dieser Zeit lernte Elise in Bad Ischl den österreichischen Fabrikanten Gustav Moriz Pacher von Theinburg kennen, den sie 1845 heiratete. Sie kümmerte sich um seine beiden Söhne aus erster Ehe und fand trotz ihrer Scheu Zugang zur Wiener Gesellschaft. Ihre erste Tochter starb nach vier Tagen, 1847 und 1848 wurden die Kinder Fritz und Hedwig geboren, 1852 Cäcilie Karoline Katharina, genannt Cilla. Bereits 1853 starb Elises Mann an Typhus, und sie zog mit ihren Kindern nach München. Dort baute sie sich einen illustren Freundeskreis auf, auch Franz Liszt und Clara besuchten sie mehrfach. Sie fand auch wieder Zugang zur Musik, wurde Mitglied des neugegründeten Oratorienvereins und gründete selbst einen kleinen Chor, den Joseph Rheinberger leitete.
Elise v. Pacher nahm die 15jährige Julie Schumann für ein Jahr zu sich in Pflege, und diese entwickelte eine schwärmerische Zuneigung für sie, was ihre Mutter durchaus mit gemischten Gefühlen betrachtete, auch wenn sie der Freundin natürlich sehr dankbar war.

Einen schweren Verlust erlitt Elise, als ihre geliebte Tochter Cilla im Alter von 9 Jahren an Scharlach starb. In der Folgezeit litt sie anfallsartig an Depressionen, und Emilie mußte sie 1865 in eine Klinik einweisen lassen. In den folgenden Jahren unternahm Emilie mit ihrer Schwester viele Erholungs- und Kuraufenthalte, doch die Depression konnte nicht geheilt oder gebessert werden. Ab 1879 folgte eine ununterbrochene Erkrankung, die sich erst 1891 plötzlich besserte. Doch schon 1893 starb Elise an einer Lungenentzündung.

Clara Schumann, deren über 250 Briefe an die Schwestern List vor einigen Jahren publiziert wurden, teilte mit ihren Freundinnen ihre Freuden und Sorgen. Erschütternd sind ihre Briefe aus der Zeit von Schumanns Krankheit und Tod, später berichtet sie ausführlich von ihren Reisen, den Erziehungssorgen mit ihren Kindern, aber auch von ihren Konzerten. Die Schumann-Tochter Eugenie erzählt in ihren Erinnerungen, daß ihre Mutter bei Besuchen Emilie Lists auflebte und lustig wurde; Clara selbst war glücklich über die Vertrautheit mit ihrer Jugendfreundin.

(J.M.N.)

Vgl. „Das Band der ewigen Liebe" - Clara Schumanns Briefwechsel mit Emilie und Elise List, hg. v. Eugen Wendler, Stuttgart u. Weimar 1996