Theodor Kirchner (1823–1903)

Theodor Kirchner, Holzstich nach einer Originalzeichnung
Theodor Kirchner, Holzstich nach einer Originalzeichnung (StadtMuseum Bonn)

Theodor Kirchner stammte aus der Nähe von Chemnitz und erhielt frühzeitig Musikunterricht, insbesondere im Orgelspiel, sowie musiktheoretischen Unterricht. Im Herbst 1837 reiste sein Vater mit ihm nach Leipzig und stellte ihn Robert Schumann vor, der in seinem Tagebuch bemerkte, der 14jährige könne noch nicht viel. Ein Jahr später wurde Theodor Kirchner Felix Mendelssohn Bartholdy und Thomaskantor Weinlig vorgestellt.

Mendelssohn forderte den Jungen auf, in Leipzig zu bleiben, und dieser nahm Unterricht beim Organisten der Nikolaikirche Carl Ferdinand Becker. Mit Schumann kam Kirchner nun viel zusammen, und im Juni 1838 notierte dieser, Kirchner sei „ein bedeutendes Talent u. guter Kopf“. Nach der Gründung des Leipziger Konservatoriums unter Mendelssohns Leitung, trug sich Kirchner als erster Schüler ein und erhielt eine königliche Freistelle.

1843 bewarb sich Kirchner in Winterthur auf eine Organistenstelle, für die ihn Mendelssohn und Schumann empfahlen und die er auch erhielt. 1851 und 1853 besuchte er Clara und Robert Schumann in Düsseldorf. Schumann besprach Kirchners 10 Klavierstücke op. 2 sehr positiv. Nach seinem Tod erhielt Kirchner die Verbindung zu Clara locker aufrecht; diese besuchte ihn in der Schweiz und lernte ihn näher kennen.

Kirchner schwärmte für Schumanns Musik – und für Clara. Als er im Sommer 1863 in ihrem Haus in Lichtenthal bei Baden-Baden für einige Wochen zu Gast war, konnte er sie dazu bewegen, ihre Rolle als mütterliche Freundin aufzugeben und in ihm nicht nur den Freund, sondern auch den Geliebten zu sehen.

Clara Schumann versuchte, Kirchner von seiner Spielleidenschaft abzubringen. Sie bezahlte seine Schulden und gab ihm Geld, das er trotz gegenteiliger Versprechen dann doch wieder verspielte. Kirchner zählte zu den wenigen Personen, denen Clara Schumann das „Du“ gewährte. Nachdem Clara einsehen musste, dass sie Kirchner nicht ändern und keinen wirklichen Einfluss auf ihn nehmen konnte, war für sie ein vertrautes Zusammensein mit ihm nicht mehr möglich.
Im Juli 1864 schrieb sie ihm daher einen Brief, der die Distanz wiederherstellte und zum „Sie“ zurückkehrte. Danach scheint sie ihn nicht wiedergesehen zu haben. Sein Verhalten hatte sie zu tief enttäuscht, und ein Jahr später bezeichnete sie Kirchner als „großen Lumpen“.

Dieser wechselte im Jahr 1862 als Dirigent nach Zürich, konzertierte dort wie auch in Winterthur und gab Klavierunterricht. 1872 ging er an den Meininger Hof als Musiklehrer, 1873 nach Würzburg als Direktor der Musikschule, eine Position, für die er nicht geeignet war, wie er auch selbst erkannte.
Ab 1876 hielt er sich, seine Frau und zwei Kinder in Leipzig als Komponist und Arrangeur über Wasser, lebte jedoch in ständigen Geldnöten. Die Lage besserte sich auch nach einem Umzug nach Dresden 1883 nicht.

1890 ging er allein nach Hamburg und wurde dort von Hans von Bülow und Brahms unterstützt. Fast erblindet, starb er 1903 nach mehreren Schlaganfällen. Er war ein äußerst produktiver Komponist, wobei der Schwerpunkt seines Schaffens vor allem auf Klavierwerken liegt.

(Julia M. Nauhaus)


Vgl. Renate Hofmann, Clara Schumanns Briefe an Theodor Kirchner. Mit einer Lebensskizze des Komponisten, 1996. Das Buch ist noch erhältlich (www.amazon.de)

* Nach freundlicher Auskunft (Mail vom 17.10.2011) von Herrn Harry Joelsen-Strohbach, Theodor Kirchner Werke, Winterthur/Schweiz, hatte das Ehepaar Kirchner zwar "drei Kinder, doch starb die am 29. September 1871 geborene zweite Tochter Blanka nach drei Monaten an Cholera" (I.B.)