Julius Stockhausen (1826–1906)

Julius Stockhausen (1826 – 1906)
Julius Stockhausen (1826 – 1906), Stahlstich (Gesellschaft der Musikfreunde in Wien)

Den Bariton Julius Stockhausen lernte Clara Schumann im Sommer 1854 kennen, als Robert bereits in Endenich eingeliefert worden war. Schon nach dem ersten Hören pries sie ihn als „herrlichen Sänger“ und „wahrhaft erfreuliche Erscheinung am Kunsthimmel“. Der in Paris ausgebildete Sänger war einer der ersten großen Liedinterpreten des 19. Jahrhunderts.
Er war der erste, der Schuberts und Schumanns Liedzyklen als Ganzes zu Gehör brachte:
in Wien 1854 Schuberts Schöne Müllerin, 1861 Schumanns Dichterliebe, am Klavier begleitet von Brahms.

Clara Schumann führte mit Stockhausen die Dichterliebe zum ersten Mal am 22. 2. 1862 in Zürich auf. Am 24. 2. 1862 begleitete sie Lieder aus Frauenliebe und Leben, am 15. 10. 1862 die Schöne Müllerin, am 27. 11. 1862 in Hamburg die Winterreise. Später wurden auch Schumanns Frauenliebe und Leben op. 42, der Eichendorff-Liederkreis op. 39 (gemeinsam mit Clara Schumann zum ersten Mal am 7. 1. 1865 in Berlin) und das Spanische Liederspiel erstmals vollständig von Stockhausen aufgeführt. In den Konzerten mit Clara Schumann und auch mit anderen Begleitern wurden die Zyklen allerdings geteilt und zwischen den „Heften“ oder Teilen beispielsweise kürzere Klavierstücke gespielt. Clara Schumann streute zwischen die Teile der Dichterliebe drei Stücke aus den Kreisleriana ein, die Winterreise wurde in drei „Portionen“ geteilt und dazwischen erklangen Kompositionen von Bach, Scarlatti und Mendelssohn. Die Interpretation eines Liedzyklus‘ ohne Pause war damals noch immer undenkbar.

Zu Stockhausens Verdiensten gehört auch sein Eintreten für Schumanns Faust-Szenen.
Als Ferdinand Hiller 1862 in Köln lediglich Teile des Werkes aufführen wollte, telegrafierte Stockhausen „tout ou rien“, und der Dirigent gab nach. So fand die erste vollständige Aufführung des wenig bekannten Werkes mit Stockhausen als Sänger des Faust in Köln statt.

Nicht nur Clara bewunderte Stockhausens Musikalität und Stimme, sondern dieser seinerseits bewunderte die Pianistin: „Madame Schumann ist einer jener seltenen Menschen, für die ich ans Ende der Welt gehen würde... Was für eine Künstlerin!“ schrieb er 1856 an seinen Vater. Durch Clara Schumann lernte er Brahms und Joachim näher kennen, in London konzertierte er 1859 mit Clara und nachte durch sie die Bekanntschaft mit Jenny Lind, Pauline Viardot und Ferdinand Hiller. Seine Ernennung zum Musikdirektor in Hamburg 1862 verwehrte Brahms diese Position, trübte das freundschaftliche Verhältnis zu diesem und Clara Schumann
(die sich den Posten für Brahms gewünscht hatte) jedoch nicht. Brahms widmete Stockhausen die Romanzen aus Tiecks Schöner Magelone op. 33, deren Uraufführung der Bariton 1862 sang.

Nachdem Clara Schumann 1878 eine Anstellung am Dr. Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt angenommen hatte, kam bald danach Stockhausen als leitender Gesangspädagoge an dasselbe Institut. Seine Auseinandersetzungen mit dem Direktor Joachim Raff und sein Abschied aus Frankfurt hatten ebenfalls keinen Einfluss auf das kollegiale und freundschaftliche Verhältnis zu Clara Schumann. Später kehrte Stockhausen nach Raffs Tod kurz an das Konservatorium zurück, gründete dann jedoch eine eigene Gesangsschule.

Nach ihrem ersten gemeinsamen Konzert am 28. August 1854 in Ostende, in dem der Bariton einige Lieder aus Schumanns Eichendorff-Liederkreis sang, standen Clara Schumann und Julius Stockhausen fast 50 Mal zusammen auf dem Konzertpodium. Darunter waren häufige Konzerte in London und Hamburg, aber auch Dresden und Leipzig, Berlin und Frankfurt. Dort traten die beiden Musiker am 18. November anlässlich einer Mozart-Feier in der Loge Carl ein letztes Mal gemeinsam auf.

(J.M.N.)