Mondnacht - Schumanns stilles Meisterwerk
Rheinische Post Nr. vom 29.07.2006
VON WOLFRAM GOERTZ
Bonn Robert Schumann, der heute vor 150 Jahren starb, war der Feuerkopf der Romantik. Seine Klaviermusik ist phantastisch, schattenhaft und von verblüffender Virtuosität. Nicht minder bedeutend sind seine Lieder. Mit der "Mondnacht" (aus dem Liederkreis op.39) ist ihm das romantische Lied schlechthin gelungen. Es ist zugleich mein Lieblingslied. Es entstand zu einer Zeit, da von Schumanns Schmerzen der späteren Jahre (in Düsseldorf und Bonn) nichts zu ahnen war.
Der Text von Eichendorff zählt zum deutschen Lyrik-Kanon: "Es war, als hätt' der Himmel / Die Erde still geküßt, / Daß sie im Blütenschimmer / Von ihm nur träumen müßt'." Über die Bedeutung dieser Zeilen - mit ihrer Naturahnung und Todesmetaphorik - haben zahllose Deutschstunden debattiert. Schumann hat sich dem Text auf Zehenspitzen genähert, die Musik bleibt leise, im Klavier pocht ein Sechzehntel-Motiv, ein Herzschlagpochen.
Aber es hat einstweilen kein Ziel. Man weiß gar nicht, in welcher Tonart das Lied steht; erst in den letzten Takten, wenn die Seele durch die stillen Lande fliegt, "als flöge sie nach Haus", klärt sich die Frage nach der harmonischen Heimat. Die Grundtonart E-Dur wird erreicht. Der Schwebezustand ist der wahre Ort dieses Lieds und seines lyrischen Ichs.
Der Sänger hat hier nichts zu lachen. Er muss Schumanns weites Legato aushalten und abstützen, er braucht diese Stütze für den gewaltigen Raum zwischen Himmel und Erde. Er braucht die Stütze auch für die langen Atemspannen. Und brillieren kann er auch nicht, weil die meisten Zuhörer die technischen Schwierigkeiten des Liedes nicht ermessen können.
Die "Mondnacht" ist trotzdem mein Lieblingslied, seit ich als Klaviersteppke meinen singenden Vater bei diesem Lied begleite. Noch heute, wenn ich die Pfoten auf die Tasten lege, spüre ich‘s: "Die Luft ging durch die Felder". Also ein Lied, das man derzeit gut gebrauchen kann.
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