In ihrer Zerrissenheit ist seine Musik unserer Zeit sehr nahe

Giessener Anzeiger vom 29.07.2006
Kultur


Heute vor 150 Jahren starb der große romantische Komponist Robert Schumann

DÜSSELDORF (ts/dpa).

"Dienstag, den 29., sollte er befreit werden von seinem Leiden - Nachmittag 4 Uhr schlief er auch ganz unbemerkt ein, niemand war in dem Augenblick bei ihm. Ich sah ihn erst eine halbe Stunde später", notierte die Pianistin Clara Schumann über den Tod ihres Mannes Robert Schumann. Über zwei Jahre war der Komponist zur Behandlung in der Nervenheilanstalt in Endenich. In dieser Zeit besuchte Clara ihren Mann ein einziges Mal - zwei Tage vor seinem Tod am 29. Juli 1856, heute vor 150 Jahren.

"Wo ist Clara, als ihr geliebter Robert stirbt? Es erscheint seltsam, dass die, die im Tagebuch nicht müde wird, ihre Liebe zu beteuern, ihm nach so langer Zeit so wenig Aufmerksamkeit schenkt", schreibt der Musikwissenschaftler Martin Demmler in seiner zum 150. Todestag erschienen Schumann-Biografie (siehe unten).

Angeblich hatten die Ärzte jeden Kontakt zu dem Kranken verboten, aber das ist reine Legende. Tatsächlich verfuhr Clara schon hier nach jener Methode, die ihre Biografin Eva Weissweiler ein "Abschiebungs- und Beseitigungskonzept zur Wahrung größtmöglicher physisch-psychischer Distanz mit der Irrenanstalt als Endlösung" genannt hat.

Die Ehe, 1840 gegen Claras Vater, den Klavierlehrer Friedrich Wieck, per Gerichtsbeschluss durchgesetzt, war eine Farce. Robert, der in einer geregelten bürgerlichen Existenz den einzigen Ausweg aus seelischen Nöten und homosexuellen Neigungen sah, taugte nicht zum Familienvater. Und Clara, die vor allem ihre pianistische Karriere im Sinn hatte, wurde mit jeder rasch aufeinanderfolgenden acht Geburten in ihrer Lebensplanung weiter zurückgeworfen. Der Makel der Geisteskrankheit belastete lange den Nachruhm Schumanns, der als einer der wichtigsten Repräsentanten der deutschen Romantik gilt. Dabei hatte er in Johannes Brahms nicht nur einen großen Bewunderer, auch Wissenschaftler arbeiten vor allem seit den 70er an der Rehabilitation des Komponisten.

Pünktlich zum Todestag bekommt die Stadt Bonn immerhin ein Denkmal des Komponisten. Bildhauer Alfred Hrdlicka schuf einen überlebensgroßen Kopf, der vor dem Schumann-Haus im Bonner Stadtteil Endenich enthüllt werden soll. Dort war Schumann 1856 in Depression und Wahnsinn gestorben. Das Denkmal kommt zur rechten Zeit, Schumann sei hoch aktuell, sagt der Musikhistoriker Ulrich Tadday im Mai anlässlich einer Fachtagung in Bremen: "Seine Musik, auch seine späte, ist nicht glatt, nicht stimmig, nicht nur schöner Schein, sie ist uns vielmehr in ihrer Zerrissenheit und ihrer Experimentierfreude wesentlich näher als die Ästhetik von Mozart, Mendelssohn oder Brahms."

Schon der erste Biograf des Musikers habe bestimmte Werke unter dem Aspekt des Wahnsinns gedeutet, erklärt Matthias Wendt, Mitarbeiter der Robert-Schumann-Forschungsstelle in Düsseldorf. Dies habe zu tun mit Claras Ängsten, der Wahnsinn ihres Mannes könne in seinen Werken erkennbar sein. Sie hielt alle Werke zurück, die er nicht selbst publiziert hatte, darunter das Violinkonzert.

Das Verdienst um die Wiederentdeckung gebührt nach Wendts Einschätzung vor allem der "Originalklangbewegung" um den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Lange war Schumann abgestempelt als "Mann der Klaviermusik und der Lieder", heute sieht das anders aus. Vor allem die Sinfonik habe einen großen Wandel erfahren, die zweite Sinfonie galt lange als "völlig missglückt". In den vergangenen Jahren nahmen große Dirigenten wie David Zinman und Daniel Barenboim die Sinfonien auf, zuvor tat dies auch Harnoncourt, der zudem eine Aufnahme der einzigen Schumann-Oper "Genoveva" vorlegte.

Robert Schumann wurde als Sohn eines Buchhändlers und Verlegers geboren. Widerwillig studierte er Jura. Er nahm Klavierunterricht bei seinem späteren Schwiegervater Friedrich Wieck, wegen einer Lähmung der rechten Hand endete der Traum von der Pianistenlaufbahn aber schnell. Er konzentrierte sich auf das Komponieren, 1840 - im Jahr seiner Hochzeit mit der Pianistin Clara Wieck -, schuf er seine großen Liederzyklen und -kreise. 1844 zerschlug sich seine Hoffnung, Nachfolger Mendelssohn-Bartholdys am Leipziger Gewandhaus zu werden. 1850 wurde er städtischer Musikdirektor in Düsseldorf.

1854 verstärkte sich eine wohl von der Syphilis ausgelöste seelische Krise sprunghaft, es kam zu einem Selbstmordversuch.

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