Denkmalenthüllung am 29.07.2006 in Bonn
Bonner General-Anzeiger, 31.07.2006, S. 13
"Für meinen geliebten Schumann"
Alfred Hrdlickas Schumann-Büste wurde zum 150. Todestag des Komponisten vor seinem Sterbehaus in Endenich enthüllt.
Ein Gottesdienst, Konzerte und eine Kranzniederlegung auf dem Alten Friedhof umrahmten das Ereignis
Von Bernhard Hartmann
"Ich sah ihn heute zuletzt", schrieb Clara Schumann am Abend des 29. Juli 1856, dem Todestag ihres Mannes Robert, in ihr Tagebuch, "einige Blumen legte ich ihm noch aufs Haupt - meine Liebe hat er mit sich genommen." Nach zweieinhalb Jahren Aufenthalt in der Endenicher Nervenheilanstalt, in der Robert Schumann lange Phasen entsetzlichen Leidens durchstehen musste, war der Komponist im Alter von 46 Jahren verstorben. Auch Johannes Brahms und der Geiger Joseph Joachim waren an Schumanns Todestag in Bonn.
Genau 150 Jahre später versammelte sich nach einer ökumenischen Feierstunde in St. Maria Magdalena wieder eine Trauergemeinde vor Schumanns Sterbehaus. Auf dem kleinen Platz vor dem Eingang der heutigen Musikbibliothek warteten zahlreiche Schumann-Verehrer auf die feierliche Enthüllung der Porträt-Büste des österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka. Der "Linksaußen" der österrischen Kunstszene (Kunstmuseums-Chef Dieter Ronte) hat ein wunderbares, für seine Verhältnisse sehr zurückgenommenes Porträt geschaffen. Es zeigt den Komponisten, wie er häufig von Zeitgenossen beschrieben wird: nachdenklich und ein wenig abwesend blickend. Hrdlicka selbst war seines schlechten gesundheitlichen Zustands wegen nicht nach Bonn gekommen.
Die Idee, Schumann in Endenich ein Denkmal zu setzen, war von dem Endenicher-Herbst-Initiator Markus Schuck gekommen. Der Verein Schumannhaus setzte sich mit großem Engagement für die Realisierung ein. Man gewann die Stiftung Kunst der Sparkasse in Bonn, die das Kunstwerk schließlich erwarb, um es dem Verein als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen.
Das Denkmal sei eine Manifestation des musikalisch-historischen Gedächtnisses der Stadt, sagte Vereinsvorsitzender Manfred Osten bei der Enthüllung. Die große Anteilnahme an den Feierlichkeiten zum 150. Todestag deutet darauf hin, dass Schumann mittlerweile tatsächlich Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses der Bonner ist. Dass er auch in seiner Geburtstadt Zwickau sowie in Leipzig und Düsseldorf, wo er viele Jahre seines Lebens wirkte, zu den Großen gezählt wird, zeigte sich nicht zuletzt daran, dass auch aus diesen Städten Schumann-Verehrer nach Bonn gepilgert waren. Zu den Adoranten zählen insbesondere natürlich Musiker, wie die Grußbotschaften prominenter Künstler von Dietrich Fischer-Dieskau bis Nikolaus Harnoncourt belegen: Der Dirigent hatte auf das Titelblatt der "Faustszenen" "Für meinen geliebten Schumann" notiert. Die Grußbotschaften wurden am Samstag in den Denkmalsockel eingelassen. Nach einer feierlichen Kranzniederlegung auf dem Alten Bonner Friedhof, wo Robert und Clara Schumann begraben liegen, ging es am Abend musikalisch weiter. Während der Vormittag von dem fabelhaften Norwegischen Jugendchor musikalisch umrahmt wurde, stand jetzt ausschließlich Klaviermusik auf dem Programm. Das Wiener Klavierduo Agnes Wolf und Paul Gulda widmete sich - nach einer kurzen Rede des Bonner Kulturdezernenten Ludwig Krapf - vor allem dem Spätwerk Schumanns, das in der Beliebtheit nach wie vor weit hinter den Werken des jungendlichen Stürmers und Drängers rangiert. Tatsächlich können die vierhändigen Ballszenen nicht wirklich mit den leidenschaftlichen frühen Stücken konkurrieren. Hier ist ein sehr bürgerlich gewordener Komponist am Werk, der sich zugunsten braven häuslichen Musizierens zurücknimmt. Ein Eindruck, der durch die für den kleinen Bibliotheksraum im Schumannhaus zu kräftige Vortragsweise eher unterstrichen als widerlegt wurde. Die von Agnes Wolf vorgetragenen vier "Fantasiestücke" aus op. 12 sprechen da schon eine andere Sprache. Bei den poetischen vierhändigen "Bildern aus dem Osten" op. 66 hatte sich das Duo dann besser auf die akustischen Bedingungen eingestellt.
Bewegend an diesem Abend war die Aufführung der fünf "Geistervariationen" über ein Thema, das Schumann kurz vor seinem Selbstmordversuch in Düsseldorf im Februar 1854 notiert hatte: Es hätten Engel ihm vorgesungen, hatte er seiner Frau gesagt. Gulda spielte diese jenseitig schöne Musik mit viel Wärme, genauso die Variationen. Eigentlich hätte man damit schließen können, doch das Duo schaute ganz im Sinne Schumanns nach vorn und ließ die zehn vierhändigen Variationen folgen, mit denen Brahms sieben Jahre nach Schumanns Tod das Thema in neue Bahnen gelenkt hatte.
Rhein-Zeitung vom 25.07.2006
Region Bonn
Denkmal zum 150. Todestag Schumanns
Hrdlickas-Plastik wird in der Bundesstadt enthüllt - Öffentliche Feierstunde für den Komponisten in Bonn - wo er am 29. Juli 1856 verstarb.
Im Mittelpunkt der unter Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Dieckmann stehenden Feierlichkeiten am Todestag, Samstag, 29. Juli, steht die Enthüllung der Schumann-Plastik des österreichischen Künstlers Alfred Hrdlicka. Sie wird um 12 Uhr vor dem Schumannhaus aufgestellt und enthüllt. Die Stele, auf der die Büste befestigt wird, wird Briefe von zeitgenössischen Schumann-Verehrern an den toten Musiker enthalten.
Ein wertvolles Schreiben brachte die Direktorin des Bonner Stadtmuseums, Ingrid Bodsch, aus Graz mit. Die gebürtige Grazerin war während der "styriarte" nach einem Konzert mit Schumanns Chorwerk "Szenen aus Goethes Faust" auf den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt zugegangen. Der zückte den Stift und schrieb auf die "Faust-Szenen": "Für meinen geliebten Schumann".
Um 16 Uhr wird am Schumanndenkmal auf dem Alten Friedhof, der Grabstelle von Robert und Clara, ein Kranz niedergelegt. Um 11 Uhr beginnt in der Endenicher Pfarrkirche St. Maria Magdalena eine ökumenische Feierstunde, die der Norwegische Jugendchor musikalisch gestaltet. Und um 20 Uhr geben Agnes Wolf und Paul Gulda einen Klavierabend mit vierhändigen Werken Robert Schumanns.
Bereits am Vorabend des Todestags, Freitag, 28. Juli, 20 Uhr, musiziert das Faust-Quartett im Schumannhaus mit Werken von Haydn, Mozart und Robert Schumann. Der Schumann-Klavierzyklus wird am Sonntag, 30. Juli, 11 Uhr, eröffnet und von Meisterschülern Professor Karl-Heinz Kämmerlings aus der Musikhochschule Hannover und dem Mozarteum Salzburg gestaltet. Weitere Termine des sieben Konzerte umfassenden Klavierzyklus sind im September, Oktober und November - zum Beispiel am 13. September, um 20 Uhr, an Claras Geburtstag.
Ostthüringer Zeitung vom 29.07.06 Seite OCKU229
Kultur
Ein Denkmal kommt zur rechten Zeit - Zum heutigen 150. Todestag des Komponisten Robert Schumann.
Düsseldorf (dpa).
Der Makel der Geisteskrankheit belastet seinen Nachruhm. Dabei hatte er in Johannes Brahms nicht nur einen großen Bewunderer, auch Wissenschaftler arbeiten vor allem seit den 70er Jahren an der Rehabilitation des Komponisten Robert Schumann.
Die letzten 30 Jahre waren für Schumann die Wiederentdeckung, sagt Matthias Wendt, Mitarbeiter der Robert-Schumann-Forschungsstelle Düsseldorf. Doch ab wann gilt ein Komponist als Großer seiner Zunft? Im musikalischen Superjahr mit Mozarts 250. Geburtstag hat es der 150. Todestag Robert Schumanns am heutigen 29. Juli schwer, hinreichend von Fachleuten und Publikum gewürdigt zu werden. In der Musikwelt dreht sich zunächst fast alles um Wolferl, dessen 22 Bühnenwerke im diesjährigen Opernprogramm der Salzburger Festspiele zu sehen sind. Zudem hatte Mozart schon früh seinen Werkesammler, Freiherr Ritter von Köchel. Dieser notierte 1862 Hunderte von Mozart-Werken im berühmten Verzeichnis.
Robert Schumann, der 1810 in Zwickau geboren wurde, musste darauf lange warten. Nach Angaben der Schumann-Gesellschaft konnte die Kanadierin Margit McCorkle 1991 für die Erarbeitung eines Schumann-Werkverzeichnisses gewonnen werden. Das Verzeichnis erschien erst 2003. Pünktlich zum Todestag bekommt die Stadt Bonn nun immerhin ein Denkmal des Komponisten - Bildhauer Alfred Hrdlicka schuf einen überlebensgroßen Kopf, der vor dem Schumann-Haus im Bonner Stadtteil Endenich enthüllt werden soll. Dort war Schumann 1856 in Depression und Wahnsinn gestorben.
Das Denkmal kommt zur rechten Zeit, Schumann sei hoch aktuell, sagt der Musikhistoriker Ulrich Tadday im Mai anlässlich einer Fachtagung in Bremen: Seine Musik, auch seine späte, ist nicht glatt, nicht stimmig, nicht nur schöner Schein, sie ist uns vielmehr in ihrer Zerrissenheit und ihrer Experimentierfreude wesentlich näher als die Ästhetik von Mozart, Mendelssohn oder Brahms. Schon der erste Biograf des Musikers habe bestimmte Werke unter dem Aspekt des Wahnsinns gedeutet, erklärt Wendt. Dies habe zu tun mit den Ängsten seiner Ehefrau Clara Schumann, der Wahnsinn des Musikers könne in seinen Werken erkennbar sein. Sie hielt alle Werke zurück, die er nicht selbst publiziert hatte, darunter das Violinkonzert. Das Vorurteil wurde erst in den 70er Jahren aufgehoben. Bis 1970 gab es praktisch keine wissenschaftliche Literatur. Was passierte damals?
Das Verdienst um die Wiederentdeckung gebührt nach Wendts Einschätzung vor allem der Originalklangbewegung um den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Lange war Schumann abgestempelt als Mann der Klaviermusik und der Lieder, heute sieht das anders aus. Vor allem die Sinfonik habe einen großen Wandel erfahren, die zweite Sinfonie galt lange als völlig missglückt. In den vergangenen Jahren nahmen große Dirigenten wie David Zinman und Daniel Barenboim die Sinfonien auf, zuvor tat dies auch Harnoncourt, der zudem eine Aufnahme der einzigen Schumann-Oper Genoveva vorlegte.
Robert Schumann wurde als Sohn eines Buchhändlers und Verlegers geboren. Widerwillig studierte er Jura. Er nahm Klavierunterricht bei seinem späteren Schwiegervater Friedrich Wieck, wegen einer Lähmung der rechten Hand endete der Traum von der Pianistenlaufbahn aber schnell. Er konzentrierte sich auf das Komponieren, 1840 - im Jahr seiner Hochzeit mit der Pianistin Clara Wieck -, schuf er seine großen Liederzyklen und -kreise. 1844 zerschlug sich seine Hoffnung, Nachfolger Mendelssohn-Bartholdys am Leipziger Gewandhaus zu werden. 1850 wurde er städtischer Musikdirektor in Düsseldorf. 1854 verstärkte sich eine wohl von der Syphilis ausgelöste seelische Krise sprunghaft, es kam zu einem Selbstmordversuch. 1856 starb er in der Heilanstalt Endenich.
Und noch etwas fehlt in der Wahrnehmung des großen Komponisten Robert Schumann: Auch bei den Chorwerken stehe die Rehabilitation an, hofft Wendt. Die Schwierigkeit: Chormusik mit Orchester wird heute nicht mehr rezipiert. Doch es gibt Hoffnung: Ausgerechnet an Schumanns Todestag will die Stadt Zwickau seine beiden letzten Werke, einen Choral und ein Choralfragment, uraufführen. Schumanns jüngste Tochter Eugenie (1851-1938) hatte die Partitur kurz vor ihrem Tod dem Zwickauer Museum überlassen.
Kölnische Rundschau, 31.07.2006
Breiter Charakterkopf
Bonn ehrt Robert Schumann mit der Enthüllung einer Porträt-Büste von Alfred Hrdlicka
von BERNWARD ALTHOFF
BONN. Nun schaut Robert Schumann also auf uns Nachgeborene - 150 Jahre nach seinem Tod: kein heiterer Romantiker, kein aufwühlendes Genie voller Schaffenskraft, sondern ein entrückter Mensch mit schwerem, breiten Kopf. "Visionär modelliert, von großer Stille und zugleich erregender Vibration", urteilt Dieter Ronte, Direktor des Bonner Kunstmuseums.
Bei der Enthüllung der Büste vor dem Schumannhaus fügte Dieter Ronte am Samstag noch hinzu, dass es wohl keinen Geeigneteren gegeben hätte, den schon von Krankheit schwer gezeichneten Komponisten zu modellieren als den österreichischen Bildhauer Alfred Hrdlicka. Der streitbare Wiener Künstler, Jahrgang 1928, sei selbst schon von den Irrungen und Wirrungen eines langen Lebens schwer gezeichnet und habe sich lange an der Büste "abgemüht". Wie immer kann man trefflich über den Eindruck dieses Kunstwerks streiten. Eines jedenfalls schafft das Hrdlicka-Opus: Es ist "ehrlich". Vor Schumanns Sterbehaus wäre eine Büste des Komponisten - sagen wir mal in der martialischen Machart eines Arno Breker - völlig fehl am Platze.
Die Enthüllung der Schumann-Büste, maßgeblich finanziert von der Kunst- und Kulturstiftung der Sparkasse KölnBonn, bildete den Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 150. Todestag des Komponisten. Bürgermeisterin Pia Findeis vertrat die Stadt Zwickau, was als kleine Geste für die Verbundenheit beider Schumann-Städte zu verstehen war. Bonn wie Zwickau, Schumanns Geburtsstadt, haben so ihre Schwierigkeiten mit der Pflege des Komponisten-Erbes gehabt.
Der Verein Schumann Haus Bonn e.V. hatte nun aber die aparte Idee, Widmungen zeitgenössischer Musiker an den toten Robert Schumann in die Stele, auf der die Büste befestigt ist, zu legen. Und Dirigent Nikolaus Harnoncourt schrieb auf die Partitur von Schumanns "Faust"-Szenen "Für meinen geliebten Schumann".
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