Robert Schumann op. 61

Robert Schumann: Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61

1. Sostenuto assai – Allegro, ma non troppo
2. Scherzo. Allegro vivace
3. Adagio espressivo
4. Allegro molto vivace


„In mir paukt und trompetet es seit einigen Tagen sehr (Trombe in C); ich weiß nicht, was daraus werden wird.“ So kündigt Schumann im Dezember 1845 seinem Freund und Kollegen Felix Mendelssohn Bartholdy die ersten Ansätze seiner Sinfonie in C-Dur an. Beeinflusst hat ihn dabei sicherlich eine Wiederaufführung am 9. Dezember 1845 der im Winter 1838/39 von ihm in Wien im Nachlass Franz Schuberts entdeckten so genannten „großen“ Sinfonie in derselben Tonart. Ging schon bei der 1. Sinfonie die Aufführung eines Schubert-Werks voraus, führt jetzt die erneute Begegnung zu einer weiteren Auseinandersetzung mit dem sinfonischen Modell. Während aber die 1. Sinfonie gleichzeitig mit zahlreichen weiteren Orchesterwerken entstand, ist nun die in C-Dur das einzige sinfonische Stück in einer Phase, die vorwiegend der Musik für Tasteninstrumente gilt. Außerdem steht diese Sinfonie in der Schaffenschronologie an dritter Stelle, denn kurz nach seiner ersten schreibt Schumann 1841 eine weitere Sinfonie in d-moll, die aber so wenig Anklang findet, dass er sie vorerst beiseite legt. So wird die C-Dur-Sinfonie an zweiter Stelle publiziert.

„Die Symphonie schrieb ich im Dezember 1845 noch halb krank; mir ist's, als müßte man ihr dies anhören. Erst im letzten Satz fing ich an mich wieder zu fühlen; wirklich wurde ich auch nach Beendigung des ganzen Werkes wieder wohler.“ Die Instrumentierung nimmt das Jahr 1846 bis zum Oktober in Anspruch. Der Uraufführung im Leipziger Gewandhaus am 5. November 1846 unter der Leitung Mendelssohn Bartholdys ist kein großer Erfolg beschieden, was sicher auch eine Folge des überlangen Programms ist und zur ersten und einzigen Missstimmung zwischen Schumann und Mendelssohn führt. Es folgen ab Sommer 1847 Revision und Kürzung der Sinfonie für die Drucklegung. Schumann ist mittlerweile als Komponist so arriviert, dass er sein Opus bedenkenlos „Seiner Majestät dem König von Schweden und Norwegen Oscar I ehrfurchtsvoll“ zueignen kann. Als Dank dafür erhält er eine große goldene Medaille.

Schon das zeitgenössische Urteil zeichnet ein höchst widersprüchliches Bild der Sinfonie. Für Verständnisschwierigkeiten scheint allein der bloße Umstand zu sorgen, dass Schumann hier stärker als gewohnt der klassischen Tradition folgt und auch zur Viersätzigkeit zurückkehrt. Dennoch bleiben die einzelnen Sätzen in zyklischem Sinne verbunden. Schumann bestätigt eine Wendung zur Klassik selbst, da er sein Werk in die Nähe von Mozarts Jupiter-Sinfonie rückt und auch eine Affinität zu Beethovens Sinfonien herstellt. Auch gestaltet er den Übergang von c-moll zu C-Dur im Finale seiner Sinfonie mit einem Beethoven-Zitat aus dessen Liederkreis An die ferne Geliebte op. 98: „Nimm sie hin denn, diese Lieder“.

Eine choralartige Melodie der tiefen Streicher eröffnet den Kopfsatz. Sofort setzen die Blechbläser ein charakteristisches Quintsprung-Motiv dagegen. Von dieser Fanfare vorangetrieben, geht es unmittelbar ins frische Allegro, ma non troppo. Facettenreiches thematisches Material wird aus der Einleitung entwickelt und unter chromatischer Verarbeitung zur „Con fuoco“-Coda geführt. Das Fanfaren-Motiv bringt den Satz zu einem triumphalen Abschluss. Wie in seinen zuvor komponierten Sinfonien gestaltet Schumann auch hier das Scherzo fünfteilig. Der quirlige Perpetuum-mobile-Charakter wird nur durch die beiden ruhigen Trioteile gebremst. Neues motivisches Material führt der 3. Satz ein: Schumann zitiert den Beginn einer Triosonate aus Bachs Musikalischem Opfer. Dieses Adagio hat von Anfang an eine Sonderstellung, liegt doch hier einer der wenigen wirklich langsamen Sätze in Schumanns Orchesterwerken vor. Abrupt unterbricht das kraftvoll einsetzende Finale die Ruhe durch sein rufartiges Thema in den Bläsern. Der Seitensatz greift auf das Bachthema des Adagios zurück. Mit unverminderter Energie steigert sich der Satz bis zum erwähnten Beethoven-Zitat in den Holzbläsern, das sich nun mit dem Fanfaren-Motiv der Blechbläser verbindet. Die prächtig gestaltete Stretta mündet in ein abschließendes Paukensolo.

(Irmgard Knechtges-Obrecht)

 

Symphony guide: Schumann's 2nd

"In which Schumann reinvented his own compositional language and created an alternative way of thinking about the symphony – despite the onset of the syphilis that was eventually to kill him"

Vgl. den ganzen Artikel von Tom Service in: http://www.theguardian.com (Tom Service, 29.10.2013)