Robert Schumann op.11

Klaviersonate Nr. 1 fis-moll op. 11

I. Introduzione. Un poco Adagio – Allegro vivace
II. Aria
III. Scherzo e Intermezzo. Allegrissimo – Lento
IV. Finale. Allegro un poco maestoso


Die Entstehungsgeschichte von Robert Schumanns erster Klaviersonate reicht bis in das Jahr 1832 zurück, als er einen „Fandango pour le Piano“ entwarf, möglicherweise um bei seinem Lehrer Friedrich Wieck zu reüssieren. Da diesem die Komposition offensichtlich zusagte, wurde im Sommer 1832 sogar eine Drucklegung geplant, jedoch ohne Erfolg. Stattdessen nutzte Schumann den „Fandango“ nun als Vorstufe zum Allegroteil des Kopfsatzes seiner Klaviersonate op. 11, deren Konzeption 1833 allmählich Gestalt annahm. Im weiteren Verlauf des Jahres wurde die Sonate „ziemlich fertig gemacht“, erhielt ihre vorläufige Endgestalt aber erst zwei Jahre später. Ende August 1835 übergab er der späteren Widmungsträgerin Clara Wieck das Manuskript seines neuen Werkes, dessen Veröffentlichung zunächst scheitere. Erst ein knappes Jahr später, im Juni 1836, erschien das Werk bei Friedrich Kistner in Leipzig, nachdem Schumann noch einige Änderungen am Finalsatz vorgenommen hatte. Auf dem Titelblatt stand: „Pianoforte-Sonate, Clara zugeeignet von Florestan und Eusebius“.

Nicht seinen eigenen Namen, sondern den der beiden von ihm erfundenen, charakterlich kontrastierenden Gestalten gab Schumann an und schiebt die Autorenschaft somit ab. Eine außergewöhnliche Geste, die nicht zuletzt mit der Unsicherheit des jungen Komponisten gegenüber dem Publikum und der geneigten Kritik zu begründen ist. Ganz besonders aber spielte Schumanns Lebenssituation zu jener Zeit eine Rolle. Im selben Maße, wie sich seine Liebe zur jungen Clara Wieck entwickelte, betrachtete deren ehrgeiziger Vater Friedrich die Verbindung zwischen seiner talentierten Tochter und dem jungen, wenig renommierten Musiker immer argwöhnischer. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Schumanns Klaviersonate op. 11 hatte Vater Wieck gerade sämtliche Beziehungen zwischen den beiden untersagt. Bis zum Sommer 1837 schirmte er seine Tochter derart rigoros ab, dass ihr jegliche Kontaktaufnahme zu Schumann unmöglich war. Dieser hingegen sandte Clara ein Exemplar seiner Sonate, woraufhin sie – vermutlich unter Druck gesetzt – ihm seine sämtlichen Briefe zurückschickte und um Übersendung der ihrigen bat. Das stürmische Verlangen und die qualvolle Leidenschaft dieser frühen, offensichtlich zum Scheitern verurteilten Liebe fanden auch in der Komposition jener ersten Klaviersonate ihren Niederschlag. So hoffte Schumann, durch Florestan und Eusebius zu erreichen, was er nicht konnte und nicht durfte, setzte sie gewissermaßen als Botschafter seiner Gefühle ein. Tatsächlich fällt der emotionalen Komponente in op. 11 eine grundlegende Bedeutung zu.

Der stürmische, fast draufgängerische Florestan wechselt dabei mit dem lyrisch-sanftmütigen Eusebius-Charakter ab, ganz der ambivalenten Verfassung des Komponisten selbst entsprechend. Einige Jahre später, kurz vor der ersehnten Heirat mit Clara im September 1840 schrieb Schumann seinem ehemaligen Lehrer Heinrich Dorn: „Gewiß mag von den Kämpfen, die mir Clara gekostet, manches in meiner Musik enthalten ... sein. Das Concert [op. 14], die Sonate [op. 11], die Davidsbündlertänze, die Kreisleriana und die Novelletten hat sie beinah allein veranlaßt.“

Die Sonatenhauptsatzform in klassischer Ausprägung sucht man im Kopfsatz der fis-moll-Sonate op. 11 vergebens, stehen doch hier andere Aspekte im Vordergrund. Zitathafte Reminiszenzen gepaart mit engen thematischen Beziehungen bringen die vier einzelnen Sätze der Sonate in eine enge Bindung. Schon die ruhige Introduktion ist nicht mit einer langsamen Einleitung im traditionellen Sinne zu vergleichen. Erst im weiteren Verlauf wird deutlich, dass in diesem Anfangsabschnitt bereits alle, für die gesamte Sonate entscheidenden motivisch-thematischen Elemente enthalten sind. Eine mit Fermate versehene Generalpause führt zum Allegro vivace, dessen temperamentvolles Hauptthema den Kopfsatz beherrscht. Dem eher pathetischen Seitengedanken in es-moll wird nur sehr knapper Raum gewährt. Umfangreich und dramatisch stetig gesteigert, gestaltet Schumann die Durchführung, in der auch einem Motiv aus dem ursprünglichen „Fandango“ tragende Bedeutung zufällt.

Der zweite Satz mit dem beziehungsreichen Titel Aria geht auf ein bereits 1828 komponiertes, von unerfüllter Liebe berichtendes Lied „An Anna“ zurück. Sein wehmutsvoller, melancholischer Duktus verweist diesen Satz ganz in die Sphäre von Eusebius. Im folgenden Satz Scherzo e Intermezzo greift Schumann erneut Material aus früheren, unveröffentlicht gebliebenen Kompositionen auf. Von seinen 1832 geschriebenen „XII Burlesken (Burle) im Stil der Papillons“ gingen einige in das Intermezzo aus op. 11 ein. Dieser energische, zum Teil skurrile Satz sticht darüber hinaus durch seine zwei kontrastierend angelegten Trios hervor. Das Finale Allegro un poco maestoso ist – fantasiereich und voller glänzender Einfälle – ein echtes pianistisches Bravourstück. Eine effektvolle Coda führt das Werk zu seinem grandiosen Abschluss.

(Irmgard Knechtges-Obrecht)