Robert Schumann op. 39
Liederkreis nach Joseph Freiherrn von Eichendorff op. 39
1. In der Fremde · 2. Intermezzzo · 3. Waldesgespräch · 4. Die Stille · 5. Mondnacht · 6. Schöne Fremde · 7. Auf einer Burg · 8. In der Fremde · 9. Wehmuth · 10. Zwielicht · 11. Im Walde · 12. Frühlingsnacht
Zwischen Mai und Juni 1840 vertonte Robert Schumann die in seinem Liederkreis op. 39 veröffentlichen zwölf Gedichte Joseph von Eichendorffs. „Ach, ich kann nicht anders, ich möchte mich todt singen wie eine Nachtigall“, meldete er seiner Braut. „Der Eichendorff'sche Cyklus ist wohl mein aller Romantischstes und es steht viel von Dir darin...“ Tatsächlich galt der Liederkreis op. 39 bei einer breiten Hörerschar rasch als bestes Beispiel hoher romantischer Liedkunst und erfreut sich bis heute einer ungebrochenen Verbreitung und Popularität.
Eichendorff war einer der bedeutendsten Dichter für Schumann, weil er dort sein romantisches Lebensgefühl wiederzufinden glaubte, das sich vor allem im Erwecken einer unendlichen Sehnsucht äußerte. Gerade dieses tiefe, als Hauptmerkmal der Romantik empfundene Sehnsuchtsgefühl durchzieht den gesamten Liederkreis op. 39: Sei es die Sehnsucht nach Heimat des In der Fremde Weilenden, die Sehnsucht nach geheimnisvoller Geborgenheit Im Walde, die Sehnsucht des Liebenden nach dem fernen, geliebten Menschen wie in Schöne Fremde, Intermezzo oder Die Stille und nicht zuletzt die Sehnsucht des Menschens nach dem Überirdischen im wohl bekanntesten aller Lieder, der Mondnacht.
Während die meisten Stücke dem romantischen Typus der „Nachtlieder“ zuzuordnen sind, spielt in Zwielicht auch jenes als rätselhaft und unheimlich angesehene Zwischenreich der Dämmerung eine Rolle. So finden sich in op. 39 sämtliche zentralen Elemente des romantischen Welterlebens wieder, allen voran der Wald in seinem geheimnisvollen Dunkel als Hort der Geborgenheit, aber ebenso der als dämonisch empfundenen Bedrohung.
Schumann beleuchtet Eichendorffs Lyrik mit musikalischen Mitteln neu und entwickelt sie auf der Basis aller im Text enthaltenen Motive weiter. So wird die Vorlage nicht nur tonmalerisch ausgedeutet, sondern an einigen Stellen auch durch Hinzufügen eigener Sinngebung erweitert. Häufig verwendet Schumann die Tonfolge E-H-E, womit nachhaltig der Bezug zu seinem Bemühen einer Eheschließung mit Clara Wieck hergestellt wird.
Wie viele Werke dieser Zeit, so ist auch op. 39 durchaus autobiografisch motiviert und steht in engem Zusammenhang zu den Querelen, die das junge Paar erdulden musste. Besonders deutlich wird diese Metapher in der Basslinie von Zwielicht. Charakteristisch ist zudem die polyphone Faktur dieses Liedes, die dem Ausleuchten aller rätselhaften, geheimnisvollen und ausweglosen Aspekte des Gedichtinhalts dient. Schumann trägt hier auch Eichendorffs geistig-religiöser Seite Rechnung, nicht zuletzt in der kirchentonalen Wendung am Ende von In der Fremde.
Erst in der zweiten Fassung von 1850 eröffnet dieses Lied den Liederkreis op. 39, in dessen ursprünglicher Konzeption Der frohe Wandersmann (später als op. 77 Nr. 1 publiziert) den Anfang machte. Vor Drucklegung der zweiten Fassung eliminierte Schumann dieses Lied aus dem Zyklus und ersetzte es aus unbekannten durch In der Fremde. Mag auch die inhaltliche und musikalische Geschlossenheit dadurch etwas weniger überzeugend wirken, so verläuft die Konzeption nach wie vor entsprechend der privaten Situation des Komponisten.
Jene positive Wendung in seinem Kampf um die Eheschließung mit Clara spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung im Liederkreis op. 39 zu seinem abrupt fröhlichen Abschluss in der Frühlingsnacht mit dem jubelnden Ergebnis: „Sie ist dein!“
(Irmgard Knechtges-Obrecht)
Vgl. auch: Christian Gerhaher und Gerold Huber äußern sich zu Robert Schumann, Liederkreis op. 39 im Gespräch mit Annette Oppermann und Dr. Wolf-Dieter Seiffert, http://www.henle.de/