Robert Schumann op. 26
Faschingsschwank aus Wien.
Fantasiebilder für Klavier op. 26
- Allegro.Sehr lebhaft
- Romanze. Ziemlich langsam
- Scherzino
- Intermezzo. Mit grösster Energie
- Finale. Höchst lebhaft
Gegen Ende seines eher erfolglos verlaufenen Aufenthalts in Wien begann Schumann Mitte März 1839 „einen Faschingsschwank“ zu komponieren. „Fünf Sätze, doch sitzen geblieben. Werde ihn aber vollenden“, vermerkte er in seinem Tagebuch. Tatsächlich zog sich der Kompositionsprozess hin, so dass er den letzten Satz erst im Winter 1839/1840 in Leipzig abschloss. Das vollendete Werk wurde 1841 als Faschingsschwank aus Wien op. 26 beim Wiener Verlag Mechetti veröffentlicht. Vom vierten Satz Intermezzo erschien bereits am 10. Dezember 1839 ein Vorabdruck in den Musikbeilagen zur Neuen Zeitschrift für Musik mit dem Titel: „Robert Schumann. Fragment aus dessen Nachtstücken“ und der Bemerkung „Aus bald erscheinenden Nachtstücken“. An seinen kurz darauf unter der Opuszahl 23 veröffentlichten Nachtstücken arbeitete Schumann zur selben Zeit, was vermuten lässt, dass sein Intermezzo zunächst für diesen Kontext geplant war.
Auch die Titel, die er ursprünglich den einzelnen Stücken aus op. 23 gab, evozieren Bilder, die durchaus zur Sphäre des Faschingsschwanks passen. Wie so oft in seinem Klavierwerk thematisiert Schumann auch hier die Sujets Maskenball, Carnaval bzw. Fasching. Das bunt schillernde Treiben, das Verstecken hinter Masken oder auch das bewusste Imitieren eines anderen, gewünschten Charakters liegen ganz in seinem Sinn. Die fünf Sätze aus op. 26 tragen jedoch keine Überschriften, und lassen insofern der Fantasie des Rezipienten freien Lauf.
Anfang 1840 vollendete Schumann sein Werk, wobei er – wie im Falle der Fantasie op. 17 – letztlich vor der Bezeichnung „Sonate“ zurückschreckte. Bei der Übersendung der Stichvorlage an den Verleger Mechetti vergab Schumann den Untertitel „Fantasiebilder“, womit er an die literarisierenden Überschriften einige seiner übrigen Werke (wie z.B. op. 12) anknüpfte. Widmungsträger von op. 26 ist der belgische Gutsbesitzer, Musikliebhaber und großen Bewunderer Schumanns, Simonin de Sire.
Die tradierte zyklische Gestalt der Sonate wird im Faschingsschwank quasi ausgetauscht: Während der temperamentvolle Kopfsatz als Rondo konzipiert ist, folgt das Finale eher der Sonatenhauptsatzform. Romanze und Scherzino behaupten zwar ihre angestammten Positionen im Zyklus, streichen jedoch am meisten den karnevalesk-komödienhaften Grundtenor des Werkes heraus. Außerdem bleiben sie tonartlich den Rahmensätzen eng verbunden, so dass der erforderliche tonale Kontrast dem Intermezzo vorbehalten bleibt. Eine ironische Pointe besonderer Art erzielt Schumann im Kopfsatz: Mehrmals lässt er den berühmten Großvatertanz anklingen, mit dem er in vielen seiner Werke gegen jene Kunstbanausen ins Feld zog, die – entgegen aller romantischen Ideale – an der als verzopft und spießig empfundenen „Philistermusik“ festhielten. Im donnernden Fortissimo zitiert er nun, mitten in die behäbige Atmosphäre des Tanzes hinein, den Beginn der zu jener Zeit in Wien vermutlich verbotenen Marseillaise. Schumann selbst scheiterte an den reaktionären Zensurbestimmungen bezüglich der Herausgabe seiner Neuen Zeitschrift für Musik in Wien und sah sich darüber hinaus auch bei der Publizierung seiner musikalischen Werke stark eingeschränkt. Der in den Faschingsschwank hinein komponierte „Protest“ wird so verständlich.
Die an zweiter Stelle stehende, ungewohnt kurze Romanze erweist sich als ausdrucksvoll-sentimentaler Haltepunkt im Gesamtwerk, dem gegenüber die farbenfrohe Heiterkeit des folgenden Scherzino besonders nachhaltig beeindruckt. Voll starker, von drängenden Bewegungen geprägter Virtuosität erlebt man das Intermezzo, dem sich ein feurig-turbulentes Finale als effektvoller Ausklang des angedeuteten Maskenfestes anschließt.
(Irmgard Knechtges-Obrecht)