Robert Schumann op. 17
Fantasie C-Dur für Klavier op. 17
Durchaus phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen
Mäßig. Durchaus energisch
Langsam getragen. Durchweg leise zu halten
Beethovens Werke faszinierten Robert Schumann von Jugend an. Er verehrte den großen Komponisten, der ihm als Leitbild für sein eigenes Schaffen galt. Als durch Franz Liszt ein Spendenaufruf für das Beethoven-Denkmal in Bonn zum 65. Geburtstag des Komponisten am 17. Dezember 1835 erging, war Schumann sofort zu einem Beitrag bereit. Er kündigte das Projekt in seiner Neuen Zeitschrift für Musik an und verfasste 1836 einen vierteiligen Aufsatz mit dem Titel „Monument für Beethoven“. Dann entwarf er ein dreisätziges Werk, das er noch vor Weihnachten fertigstellte und dem Leipziger Verleger Kistner mit den Worten anbot: „Florestan und Eusebius wünschen gern etwas für Beethovens Monument zu thun und haben zu diesem Zweck etwas unter folgendem Titel geschrieben: Ruinen. Trophaeen. Palmen. Große Sonate f. d. Pianof.“ Wie so oft, bemüht Schumann auch hier die beiden imaginären Figuren Florestan und Eusebius. Pseudonyme, die er für sich selbst verwandte, um jene beiden gegensätzlichen Seiten seines Charakters zu symbolisieren. Nachdem sich dieser erste Druckplan zerschlug, bot Schumann sein Werk in den folgenden Jahren anderen Verlegern an. Mehrfach änderte er nun die Titelei von „Sonate“ über „Phantasie in drei Sätzen“ bis zu „Dichtungen“. „Ruine, Siegerbogen und Sternbild“ wurde für die einzelnen Sätze erwogen. Schließlich strich Schumann vor der Drucklegung bei Breitkopf & Härtel im Frühjahr 1839 alles und entschloss sich zum schlichten Titel „Fantasie“.
Tatsächlich regte kaum ein anderes der um diese Zeit entstandenen Klavierwerke die Fantasie der Hörer so an und wurde auch von ihm selbst in derart engen Bezug zu seiner Lebenssituation und den Kämpfen um die Eheschließung mit Clara Wieck gebracht: „Die Phantasie kannst Du nur verstehen, wenn Du Dich in den unglücklichen Sommer 1836 zurückversetzt, wo ich Dir entsagte“, schrieb er an seine geliebte Braut in Wien. „Der erste Satz davon ist wohl mein Passionirtestes, was ich je gemacht – eine tiefe Klage um Dich“. Am Ende dieses hoch dramatischen Satzes glaubt man durch einen geschickten Kunstgriff eine weitere Verbindung zu hören: Das Zitat aus Beethovens Lieder-Zyklus An die ferne Geliebte mit dem Text „Nimm sie hin denn, diese Lieder“ könnte als Hommage an den verehrten Komponisten stehen, ist aber gleichzeitig eine Botschaft an die eigene „ferne Geliebte“ Clara. Und noch eine Beziehung stellte Schumann her, indem er dem ersten Satz ein Zitat aus Friedrich Schlegels Gedichtzyklus Abendröte als „Motto“ voranstellte: „Durch alle Töne tönet / Im bunten Erdentraum / Ein leiser Ton gezogen / Für den, der heimlich lauschet.“ An Clara schrieb er später: „Der ,Ton' im Motto bist Du wohl“.
Rhythmisch markant und von immenser Virtuosität getragen erhebt sich im zweiten Satz ein wahrer Triumphmarsch. Diesen beiden schnellen Sätzen folgt im Finale die Betonung melodischer Schönheit. Hier findet sich wieder eine versteckte Reminiszenz an Beethoven durch ein Zitat aus dem Adagio von dessen 7. Symphonie.
Eng ist die frühe Rezeptionsgeschichte der Fantasie op. 17 mit den beiden großen Pianisten Clara Wieck-Schumann und Franz Liszt verbunden, die Entstehung und Widmung veranlassten. Clara reagierte mit Begeisterung, als sie die „wunderherrliche Fantasie“ zum ersten Mal spielte, und war noch am nächsten Tag „halb krank vor Entzücken“. Auch Liszt nahm das ihm gewidmete Stück mit Freude an. Zwar stimmte er Schumanns Zweifeln an dessen Popularität zu, spielte es aber in seinen Konzerten der Jahre 1839 bis 1848 mehrfach und sorgte so für eine bessere Verbreitung. Zum wirklichen Durchbruch im europäischen Konzertleben verhalfen Clara Schumann und Johannes Brahms der Fantasie erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sie sie mit großem Erfolg in ihre Konzertprogramme brachten.
(Irmgard Knechtges-Obrecht)