Robert Schumann op. 6
Davidsbündlertänze. 18 Charakterstücke für Klavier op.6
Heft I
Lebhaft · Innig · Mit Humor · Ungeduldig · Einfach · Sehr rasch · Nicht schnell · Frisch · Lebhaft
Heft II
Balladenmäßig. Sehr rasch · Einfach · Mit Humor · Wild und lustig · Zart und singend · Frisch · Mit gutem Humor · Wie aus der Ferne · Nicht schnell
„Und hier sei noch eines Bundes erwähnt, der ein mehr als geheimer war, nämlich nur in dem Kopf seines Stifters existirte“, schreibt Schumann 1853 in der Einleitung zu seinen Gesammelten Schriften über Musik und Musiker, und meint damit den von ihm geschaffenen fiktiven Davidsbund. Benannt nach dem Schutzpatron der Musik, versammelt sich hier ein Kreis gleichgesinnter Musiker, deren literarische Beiträge Schumann zusammen mit seinen eigenen in der 1834 gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik veröffentlicht, um das Philistertum in der Musik zu bekämpfen. Die beiden Hauptgestalten des Davidsbunds, der energischtatkräftige Florestan und der feinsinnig-introvertierte Eusebius, sind von Schumann oft herangezogene imaginäre Figuren, mit deren Hilfe er die kontrastierenden Seiten seines Charakters sowie seine Doppelrolle verdeutlicht. Einem roten Faden gleich ziehen sich diese Gestalten durch Schumanns frühe Klaviermusik, sind sein Pseudonym als Komponist und Rezensent. Vorbilder für diese ausgesprochen romantische Symbolik gibt es reichlich, insbesondere standen wohl die Brüder Walt und Vult aus Jean Pauls 1805 erschienenem Roman Flegeljahre Pate. Von Jugend an zeigt sich Schumann von Jean Pauls Hang zu Doppelnatur- bzw. Doppelgänger-Konstellationen fasziniert und beginnt selbst, mit solchen Phänomenen zu experimentieren. Bereits im Sommer 1831, also lange vor der Gründung des Davidsbunds, teilt Schumann einigen seiner Leipziger Mitstreiter Fantasienamen zu. Friedrich Wieck wurde zum zwischen Florestan und Eusebius vermittelnden Meister Raro und und dessen Tochter Clara zu Zilia oder Chiara.
Wie die meisten der zu dieser Zeit entstandenen Werke wird auch die Komposition der Davidsbündlertänze unmittelbar durch die konkreten Lebensumstände ihres Urhebers veranlasst. Der wieder ermöglichte briefliche Kontakt zu Clara Wieck lässt Schumann neue Hoffnung schöpfen, was dazu führt, dass die beiden sich im August 1837 heimlich verloben. Ein ungeheurer Aufschwung in Schumanns Leben, der sich sogleich auf sein Wirken und Schaffen überträgt. So entstehen im Spätsommer 1837 mindestens 19 Stücke, von denen Schumann später 18 in den Davidsbündlertänzen op. 6 drucken lässt. Die Charaktere von Florestan und Eusebius zeigen sich in all ihren Gegensätzlichkeiten: Humorvolle Szenen wechseln mit nachdenklichen Passagen ab, schwungvoll-heitere mit lyrisch-besinnlichen. Jedes Stück wird am Ende durch die Kennzeichnung F.(lorestan) oder E.(usebius) einem der beiden oder beiden gemeinsam zugewiesen. In Autograph und Erstdruck werden sie sogar als Autoren angegeben. Dass es sich um Erzählungen oder Kommentierungen dieser beiden Gestalten handelt, wird vor dem jeweils letzten Stück der beiden Hefte (Nr. 9 bzw. Nr. 18) durch eine kurze verbale Sentenz zusätzlich verdeutlicht. Ungewohnte und eigenwillige deutsche Vortragsbezeichnungen erklären darüber hinaus, wie die Stücke zu interpretieren sind. Ähnlich wie in den Papillons op. 2 läutet auch in den Davidsbündlertänzen eine imaginäre Uhr im Finale. Nach dem Vermerk: „Ganz zum Überfluß meinte Eusebius noch Folgendes; dabei sprach aber viel Seligkeit aus seinen Augen“ beginnt der letzte Tanz, an dessen Ende zwölf Schläge der Turmuhr (durch Repetition des Tons C angedeutet) das lustige Treiben beenden.
Über die enge Beziehung der Davidsbündlertänze zu seiner Braut Clara schreibt Schumann in einem Brief an sie: „In den Tänzen sind viele Hochzeitsgedanken […] Was aber in den Tänzen steht, das wird mir meine Clara herausfinden, der sie mehr wie irgend etwas von mir gewidmet sind – ein ganzer Polterabend nähmlich ist die Geschichte […] War ich je glücklich am Clavier, so war ich es, als ich sie componirte.“ Der erste Tanz beginnt mit dem „Motto von C. W.“. Es ist ein Zitat aus Claras Mazurka Nr. 5 aus den Soirées musicales op. 6, die 1836 erschienen. Mit dieser musikalischen Geste, für Schumann von tief greifender menschlicher Bedeutung, übermittelt er seiner 18-jährigen Braut eine Botschaft. Noch zahlreiche weitere, gut versteckte Anspielungen finden sich darüber hinaus in den Tänzen, auch bildet das „Motto“ die motivische Keimzelle für den gesamten Zyklus.
Die Davidsbündlertänze erschienen Anfang 1838 in zwei Heften auf Schumanns eigene Kosten bei Robert Friese in Leipzig, der gleichzeitig Herausgeber der Neuen Zeitschrift für Musik war. Eine zweite Auflage wurde 1850/51 bei Schuberth & Co. in Hamburg gedruckt, ohne die Hinweise auf Florestan und Eusebius in den Noten und auf dem Titel. Die Widmung der Originalausgabe lautet „Walther von Goethe zugeeignet von Florestan und Eusebius“. Der Widmungsträger war der Enkel des Dichters, betätigte sich selbst als Musiker und gehörte zu dem aus Malern, Literaten und Musikern gebildeten Kreis der Davidsbündler.
(Irmgard Knechtges-Obrecht)