Robert Schumann op.132
Robert Schumann: Märchenerzählungen. Vier Stücke für Klarinette (ad lib. Violine), Viola und Klavier op. 132
I. Lebhaft, nicht zu schnell
II. Lebhaft und sehr markirt
III. Ruhiges Tempo, mit zartem Ausdruck
IV. Lebhaft, sehr markirt
Gegen Ende seiner Schaffenszeit erweitert Schumann im Oktober 1853 jene bisher von ihm im Bereich der Kammermusik mit Klavier vorgezogene Duo-Kombination zu einem interessanten Trio: Zum Klavier gesellt sich dabei ein Duo aus Blas- und Streichinstrument. Innerhalb weniger Tage entstehen in Düsseldorf die Märchenerzählungen op. 132 für die Besetzung Klarinette (ad lib. Violine), Viola und Klavier. Als Anregung oder sogar Vorbild könnte Mozarts berühmtes Kegelstatt-Trio (KV 498 von 1786) gedient haben, das Clara Schumann zusammen mit dem Klarinettisten Johann Kochner und dem Bratschisten W. J. von Wasielewski in einem Düsseldorfer Abonnementskonzert aufgeführt hatte. Es verwendet dieselbe eigenwillige Besetzung, von der Schumann glaubte, dass sie sich im Ausdruck „höchst romantisch ausnehmen“ werde. Diesem Bild entsprechend, bezeichnet er seine Stücke zunächst als „Mährchenphantasieen“. Zwar darf in op. 132 das Blasinstrument durch das hohe Streichinstrument Violine ersetzt werden, nicht aber die Viola, deren Klangbild bei Schumann auf das Engste mit Art und Charakter musikalischer „Märchen“ verbunden ist.
Schumann erlebt seine neue Komposition Ende Oktober 1853 bei einer privaten Aufführung im eigenen Haus mit seiner Frau, dem Klarinettisten Kochner und Joseph Joachim als Bratschisten. Dem Verlag Breitkopf & Härtel bietet er sie kurz darauf zum Druck an, hervorhebend, dass „die Zusammenstellung der Instrumente [...] von ganz eigenthümlicher Wirkung“ sei. Da offensichtlich auch der Verleger allein auf Grund dieser Tatsache eine Marktlücke wittert, werden die dem jungen Düsseldorfer Kapellmeister und Schumannfreund Albert Dietrich gewidmeten Märchenerzählungen op. 132 erstaunlich rasch gedruckt. Sie bleiben der letzte, zu Lebzeiten gedruckter Beitrag zur Kammermusik des Komponisten.
Trotz des gedämpft wirkenden, dunkel gefärbten Klangbildes dominiert die mit „Lebhaft“ umschriebene Ausdrucksdimension der Stücke, deren Grundhaltung durchaus optimistisch wirkt. Im Rahmen der kammermusikalisch besetzten Werke in freien Formen etabliert Schumann im Laufe seines Schaffens ein neues Genre, indem er diese mit konzeptionellen Inhalten bereichert: Bei klarer Trennung zur zyklisch gebundenen Sonatenform bringt er dennoch Momente der dort vorgegebenen formalen Strukturen sowie motivische und harmonische Techniken ein. So scheinen auch die Vier Märchenerzählungen für Klarinette, Viola und Klavier op. 132 zyklisch verbunden. Allein durch ihre tonartliche Disposition entsteht ein Zusammenhalt. Außerdem finden sich einige Kernmotive, die einzelne Abschnitte in Beziehung zueinander setzen. So schildert Schumann sein musikalisches Material auf vielfältige charaktervolle Weise, was nicht zuletzt das im Titel angedeutete „Erzählen“ einlöst.
Während das eröffnende Stück recht anmutig, aber noch verhalten lebhaft daherkommt, zeigt sich im folgenden eine dynamische Steigerung zum Kraftvollen. Ein kontrastierender lyrischer Mittelteil nimmt bereits die Stimmung des dritten Stücks vorweg, das sehr melodiös und beinahe volkstümlich-schlicht gehalten ist. Zwar fügt Schumann auch in die Mitte des Finales eine ruhigere Episode ein, dennoch überwiegt hier ein vor Kraft sprühender, schalkhaft-auftrumpfender Gestus.
(Irmgard Knechtges-Obrecht)