Schumann-Studien 9.

Ute Bär (Hrsg.):

Im Auftrag der Robert-Schumann-Gesellschaft Zwickau e.V.
hrsg. von Gerd Nauhaus u. Ute Bär.

346 S., zahlr. Abb. und Notenbeispiele.
Sinzig: studio • verlag, 2008
ISBN: 978-3-89564-121-3


Nach längerer Pause fand im Juni 2005 in Zwickau wieder eine der 1976 begründeten Wissenschaftlichen Arbeitstagungen zu Fragen der Schumann-Forschung statt. Die Tagung war dieses Mal der Verabschiedung von Dr. Gerd Nauhaus gewidmet, der im Sommer 2005 nach 35-jähriger Tätigkeit im Zwickauer Robert-Schumann-Haus, dessen Leiter er seit 1993 war, in den wohlverdienten Ruhestand eintrat. Der vorliegende Band vereinigt sämtliche, während der Tagung gehaltenen Vorträge, die unter dem Motto standen "`Schumann im 20. Jahrhundert -- Forschung, Interpretation, Rezeption"'.

Als ein interessanter Aspekt aller Überlegungen zum Schumannbild im 20. Jahrhundert entpuppte sich zunächst der Umstand, das ein großer Teil dieses Zeitraums inzwischen selbst schon wieder Geschichte geworden ist. Biographischen Darstellungen, die das Schumannbild der Zeit prägten, widmen sich Arnfried Edler, mit „Gedanken zu Hermann Aberts Schumann-Biographie von 1903”, Wolfgang Seibold („Das Schumann-Bild in der Listz-Literatur des 20. Jahrhunderts”) und Klaus Wolfgang Niemöller, der Schumanns Publikum zwischen 1858 und 1922 eingehend beleuchtet. Editorische Probleme bei Schumanns frühem Klavierquartett in c-moll beschäftigen Joachim Draheim, der eine notwendige Revision im Sinne des „Editorischen Katastrophenschutzes” vornimmt, während Ulrich Tadday „Schumanns Romantik-Begriff im Spiegel der Schumann-Literatur” mit interessanten Ergebnissen aufarbeitet.

Interpretation und Aufführungspraxis schumannscher Werke im 20. Jahrhundert stehen im Zentrum einiger Aufsätze, die dieser Problemstellung auf unterschiedlichste Weise nachgehen. Während sich Bodo Bischoff speziell mit Phrasierung und Artikulation des Hauptthemas aus dem Kopfsatz der „Rheinischen Sinfonie” auseinandersetzt, betrachtet Hans-Joachim Hinrichsen Schumanns sämtliche sinfonische Werke unter dem Dirigat Wilhelm Furtwänglers. Mit dem besonderen Ansatz des poststrukturalistischen Lesens widmet sich Michael Heinemann Schumanns Klaviermusik. „Vierzehn Arten, Schumann zu verfehlen” benennt Michael Struck, die insbesondere bei der Interpretation Schumanns später Klavierwerke unterlaufen können. Thomas Synofzik schließlich geht auf Schumanns berühmtes Fantasiestück „Warum” ein und beschreibt „Tradition und Wandel” in dessen verschiedenen Interpretationen aus dem 20. Jahrhundert.

Am Beispiel des Werkes Dunkle Saiten für Violoncello, Orchester und Frauenstimmen von Jörg Widmann zeigt Janina Klassen eine Möglichkeit, sich heute kompositorisch mit Schumanns Musik auseinanderzusetzen. Dass Assoziationen, die für Schumann selbstverständlich waren, mehr als hundert Jahre später kaum noch verstanden werden, demonstriert Kazuko Ozawa am Husarenabzug unter der Fragestellung „Wo sind die Husaren hin?”. In „Von Robert zu Clara Schumann und zurück” erläutert Beatrix Borchard, wie sich die Forschung im Verlauf der letzten hundert Jahre zunehmend auch mit Clara Schumann befasste. Während in diesem Beitrag einige Schumann-Filme und deren Betrachtung von Claras Rolle angesprochen werden, beschäftigt sich Matthias Wendt mit einem „Albtraum zwischen Trümmern. Der erste Schumannfilm Träumerei in Zwickau uraufgeführt, in Düsseldorf verboten”. Die von Ute Bär erläuterten „Wanderungen” des Zwickauer Schumann-Denkmals werfen ein aufschlussreiches Licht auf die deutsche Denkmalkultur im 20. Jahrhundert. Unter dem beziehungsreichen Titel „Die Peri auf Abwegen. Zwickau anno 1943” stellt Gerd Nauhaus an Hand wieder aufgefundener Dokumente zu einer Aufführung von Schumanns Oratorium Paradies und Peri von 1943 eindrucksvoll dar, wie versucht wurde, Schumann für die nationalsozialistische Ideologie zu vereinnahmen bzw. missbrauchen.

Über den auf der Jahrestagung hinaus referierten Teil sind im Band ergänzend als „Freie Beiträge” abgedruckt: Ein Nachruf auf die bedeutende englische Musikjournalistin und -schriftstellerin Joan Chissell  († 31.01.2007) sowie die Laudationes auf die beiden Zwickauer Schumann-Preisträger des Jahres 2007, Margit L. McCorkle, die das 2002 erschienene, Meilensteine setzende Robert-Schumann-Werkverzeichnis bearbeitete (Wolf-Dieter Seiffert), und Anton Kuerti, der kanadische Pianist und Kammermusiker (Kolja Lessing). Darüber hinaus findet sich im Band ein Abdruck der Festansprache zum 50-jährigen Bestehen der Robert-Schumann-Gesellschaft Zwickau, die Hans Joachim Köhler im März 2007 bei der Festveranstaltung im Robert-Schumann-Haus gehalten hat.

Der Band ist in gewohnter Weise mit großer Sorgfalt redigiert und hergestellt und bietet im Rahmen des gewählten Oberthemas eine breite Palette unterschiedlichster Aspekte. Nicht zuletzt auf Grund der Aktualität mancher der angesprochenen Bereiche sind die Schumann-Studien 9 auch dem interessierten Laien wärmstens zu empfehlen.