Johanna Kinkel. Romantik und Revolution.

Monica Klaus:

Europäische Komponistinnen.
Hrsg. v. Annette Kreutziger-Herr und Melanie Unseld, Bd. 7.
XIV, 364 S., Abb.
Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, 2008
ISBN: 978-3-412-20175-3


Die Reihe „Europäische Komponistinnen” hat sich im positiven Sinne der überaus angesagten „Gender-Forschung” verschrieben und fördert dabei manch ungeahnte Perle zutage. Als solche ist unbedingt die vorliegende Biographie über die doch immer noch recht unbekannte, aus Bonn stammende Johanna Kinkel, geborene Mockel (1810-1858) zu bezeichnen, die jetzt zu deren 150. Todestag erschien.

Johanna Kinkel lebte zur selben Zeit wie Robert Schumann und verkehrte in den Berliner Salons von Fanny Hensel und Bettine von Arnim. Sie unterhielt engen Kontakt zu Annette von Droste-Hülshoff und zur „Rheingräfin” Sybille Mertens-Schaaffhausen. Sie wurde von Felix Mendelssohn Bartholdy in ihrem kompositorischen Schaffen gefördert und von Charles Dickens in finanzieller Hinsicht bei ihrer politisch bedingten Flucht ins Londoner Exil. Dabei war es nicht allein ihr berühmter rheinischer Humor, der allerorten für Aufsehen sorgte, sondern vielmehr ihre außerordentliche Begabung.

Bei der Bearbeitung von Professorennachlässen in der Bonner Universitäts- und Landesbibliothek fielen Monica Klaus auch 689 Briefe in die Hände, die Gottfried und Johanna Kinkel in 18 Jahren wechselten. Unschwer war wohl die hohe kulturelle Bedeutung dieser Korrespondenz zu erkennen, aus deren Bearbeitung schließlich die vorliegende Biographie hervorging. Monica Klaus holt damit Johanna Kinkel nicht nur verdientermaßen aus dem Schatten ihres Mannes heraus, sondern zeichnet zudem ein komplexes Bild der gesamten Epoche.

Als Musikerin, Komponistin, Pädagogin und Schriftstellerin wirkte Johanna, obwohl ihr das bereits im Elternhaus auf Grund der biedermeierlich geprägten Ansichten fast unmöglich gemacht wurde. Kein geringerer als Franz Anton Ries, der einst auch den jungen Beethoven unterrichtet hatte, erteilte ihr Klavierunterricht. Er förderte ihr überragendes Talent gegen den Willen ihrer Eltern, verschaffte ihr Zutritt zu zahlreichen „Musikalischen Zirkeln” in Bonn, ließ sie konzertieren, einen Chor leiten und Gesangsunterricht erteilen. Äußerst humorvoll beschreibt Monica Klaus diese Phase im Leben der Kinkel, inklusive der von Anfang an als misslungen geltenden ersten Ehe. Gezwungenermaßen musste die junge Johanna den „offiziellen weiblichen Beschäftigungen” nachgehen. So musste sie auch eine Kochausbildung in einem Gasthof absolvieren, während der sie -- ihrer wahren Leidenschaft frönend -- Kochrezepte in Verse fasste und vertonte!

Robert Schumann war auf ein „Heft sehr wertvoller Lieder” der Johanna Mathieux (wie sie in erster Ehe hieß) aufmerksam geworden und bat diese um einen Beitrag für seine  Neue Zeitschrift für Musik. Bei dessen Beurteilung kann er sich allerdings nicht verkneifen, ein wenig herablassend auf die „weibliche” Art der Komposition hinzuweisen, was wohl auch einen weiter führenden Kontakt zwischen den beiden verhinderte.

Nach ihrer Scheidung und bis zur (dieses Mal glücklichen) Wiederverheiratung mit Gottfried Kinkel war Johannas Lebensweg mehr als aufregend und mit komplizierten Umständen belastet, was Monica Klaus anhand der Dokumente einfühlsam schildert. Zeigt sich hier einmal mehr die unglaubliche Bandbreite der Persönlichkeit dieser in ihrem Zeitalter höchst ungewöhnlichen Frau, so erst recht, als sich radikale Veränderung der äußeren Lebensumstände durch politische Querelen anbahnen. Die demokratischen Bemühungen rückten ins Zentrum ihres Daseins und ließen ihren Mann zum engagierten Politiker werden. Soweit es ihre Möglichkeiten zuließen, kämpfte Johanna mit, von einem ausgeprägten und sozial basierten Gerechtigkeitssinn angetrieben. Außerordentliche Stärke und Entschlossenheit beweist sie, als ihr Mann zunächst in Rastatt, dann im Zuchthaus in Pommern einsitzt, nachdem er zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Unzählige Fluchtpläne werden in dieser überaus belastenden Zeit entwickelt, die zu guter Letzt ins Londoner Exil führte. Auch diesen schweren Neuanfang meistert die Kinkel, in politischer Hinsicht aktiver denn je, aber auch zunehmend von Krankheiten geplagt.

Auch die bunt schillernde Sphäre des Londoner Musiklebens und die vielfältigen Kontakte zu dessen Protagonisten vermag das Buch eindrucksvoll nachzuzeichnen. Spannend wie im Roman endet auch Johanna Kinkels Leben, bleibt offen, ob sie an ihrer unheilbaren Herzkrankheit starb oder selbst den Tod herbeiführte. Lesenswert ist die Geschichte dieser ungewöhnlichen Frau allemal. Geschickt weiß Monica Klaus in ihrer Biographie den fesselnden, kurzweiligen Erzählstil mit wissenschaftlich-historischem Anspruch zu verbinden. Ein Buch, das man vor dem Lesen der letzten Seite kaum aus der Hand legen mag!