Robert Schumann Klaviermusik für die Jugend
Tobias Koch, Pianoforte auf ursprünglichen Instrumenten Deutschlandradio. GENUIN classics. Leizpig, 2010
LC 12029. GEN 10170
Auch im Jubiläumsjahr 2010 legt Tobias Koch beim Leipziger Label GENUIN Classics (diesmal in Co-Produktion mit dem Deutschlandfunk und aufgenommen in dessen Kölner Kammermusiksaal) wieder eine seiner interessanten, den Mainstream meidenden bzw. umschiffenden Schumann- Aufnahmen vor: eine Doppel-CD mit Musik für die Jugend auf ursprünglichen Instrumenten. Aus dem großen Komplex der für Kinder und Jugendliche geschaffenen Kompositionen Schumanns, zu dem die vierhändigen Klavierwerke (Stücke für kleine und große Kinder op. 85, Ballszenen op. 109, Kinderball op. 130) ebenso gehören wie das Album Lieder für die Jugend op. 79, wählte der Pianist verständlicher Weise die Klavier-Solowerke aus, freilich mit einer Ausnahme: Als „Zugabe“ beschließt die zweite CD eine Einspielung des Andante und Variationen op. 46 für 2 Klaviere, aufgenommen mit der entwaffnenden Begründung, es hätten einmal auch beide zum Einsatz kommenden „ursprünglichen“ Instrumente zusammen erklingen sollen. Hier wurde Tobias Koch von der mit ihm „weder verwandten noch verschwägerten“, auch in Düsseldorf lebenden Sara Koch unterstützt; das klangliche Ergebnis ist in der Tat bestechend.
Um das Thema gleich fortzuführen: Die beiden historischen Klaviere, ein Streicher von 1847 und ein Pleyel von 1844, beide aus der Sammlung von Edwin Beunk in Enschede, bilden wie schon in Kochs vorangegangenen Produktionen (vgl. Correspondenz 31 u. 32) ein wesentliches Plus seiner Aufnahmen. Der ebenso gewichtige zweite Pluspunkt ist das ausgewählte Repertoire: Mag das Album
für die Jugend op. 68, das den Hauptteil von CD 1 einnimmt, noch – auszugsweise oder auch vollständig – in Aufnahmen präsent sein, so trifft das für die CD 2 eröffnenden drei Jugend-Sonaten op. 118 kaum zu, noch weniger aber für die posthum veröffentlichten Stücke des Supplements zum Jugend-Album, geschweige denn für das hier erstmals aufgenommene Geburtstags-Album für (die älteste Schumann-Tochter) Marie einschließlich der acht „fremden“ Stücke (von Bach, Händel, Gluck, Mozart, Beethoven, Schubert und Weber) des von Schumann zusammengestellten Kleinen Lehrgangs durch die Musikgeschichte. Man kann sich streiten, ob diese (bis auf das originalgetreu zitierte Variationsthema aus Beethovens Sonate op. 109) in einfachen Sätzen wiedergegebenen musikhistorischen Trouvaillen nun zwingend aufnahmewürdig waren – den Kreis des von Schumann der Jugend zugedachten Lehrmaterials runden sie in jedem Falle ab. Das gilt auch für die oftmals sehr kurzen, simplen Supplement-Stücke und für die teils unter anderem Titel in der Druckausgabe des Opus 68 wiederkehrenden Geburtstagsstücke. Im Verein mit Tobias Kochs präzis informierenden Einführungstexten geben sie zugleich einen hervorragenden Einblick in die Entstehungsgeschichte von Schumanns – was Verbreitung, aber auch pekuniären Ertrag betrifft – erfolgreichstem Werk.
Es versteht sich nach der Kenntnis von Kochs früheren Schumann- Aufnahmen und auch seiner sonstigen umfangreichen Produktionen fast von selbst, dass die Einspielung mit spürbar größter Sorgfalt und sicherer stilistischer Einfühlung vorgenommen wurde. Auch die Wahl der klanglich hervorragend ausgeglichenen, im Helligkeits-Charakter etwas voneinander differierenden Instrumente, die jeweils für eine ganze CD verwendet wurden, erscheint in hohem Grade plausibel. Nur im Falle der kompositorisch teils etwas „sperrigen“ Clavier-Sonaten op. 118 (besonders der Marie Schumann zugedachten dritten in C-Dur) ergab sich die Frage, ob diese nicht doch auf einem modernen Flügel mit seiner ausgeprägteren Nachhallkomponente besser aufgehoben gewesen wären. Freilich hat aber hier Tobias Kochs teilweise etwas “trockene“ Tongebung (mit viel Staccato-Effekten) für einen Grad an Durchhörbarkeit gesorgt, den die Musik nicht unbedingt benötigt oder verträgt.
Noch zwei weitere kleine „Zugaben“ seien abschließend erwähnt: Der ganzen Darbietung vorangestellt wurde eine Auswahl aus Schumanns auch heute noch beachtenswerten Musikalischen Haus- und Lebensregeln, die der Komponist zeitweise als Anhang zum Jugend-Album drucken lassen wollte. Das ist sinnvoll und bereichernd – dass aber der Sprecher, Bernhard Biller, den Aphorismen einen sächsischen Touch verlieh, wirkt ungewollt komisch (zumal desKomponisten Idiom sicher mehr „zwickauisch“ als „leipzigerisch“ gefärbt war) und minimiert Schumanns Anliegen. Sehr erfrischend wirken dagegen die vom Kinderchor der im Leipziger Schumann-Haus angesiedelten Freien Grundschule Clara Schumann beigesteuerten beiden kleinen Vokalsätze aus den Skizzen zum Jugend-Album – auch wenn es die sangesfreudigen Kinder etwas gar zu eilig hatten.
Die sorgfältige Ausstattung von Verpackung und Booklet der Doppel-CD einschließlich Tobias Kochs Essay Ein Schatz von Poesie und Gemüth verdient besondere Hervorhebung.
(Gerd Nauhaus)