Robert Schumann
NDR Sinfonieorchester, Christoph Eschenbach (Ltg., piano), Tzimon Barto, piano
Helsinki: Ondine Inc., 2010
ODE 1162-2
In Kooperation mit dem NDR widmen sich Christoph Eschenbach und Tzimon Barto zu Robert Schumanns 200. Geburtstag dessen Klavierwerken in besonderer Weise. Neben den in diesem Jahr offenbar unvermeidlichen sog. „Geistervariationen“ finden sich auf der CD einige Raritäten. Die beiden Klavierkonzertstücke Introduktion und Allegro appassionato. Konzertstück für Klavier und Orchester G-Dur op. 92 und Konzert-Allegro mit Introduktion für Klavier und Orchester d-moll op. 134 sind in ihrer Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte eng mit Clara Schumann verbunden.
Op. 92 schrieb Schumann in Dresden im September des überaus produktiven Jahres 1849 seiner Frau quasi „in die Tasten“. Die langsame Einleitung lebt in ihrer lyrisch-perlenden Motivik vom Dialog zwischen dem Solo-Instrument und wechselnden Orchesterstimmen. Rhythmische Verschiebungen führen darüber hinaus zu reizvollen echoartigen Effekten. Die Blasinstrumente exponiert Schumann beinahe solistisch. Bestechend schön ist auch die vom Klavier bestrittene Überleitung ins Allegro appassionato, in der das folgende Hauptthema im langsamen Tempo antizipiert wird. Fast schon am Ende seines Schaffens komponierte Schumann im August 1853 in Düsseldorf das später Johannes Brahms gewidmete Konzerstük op. 134. Seine Frau Clara, die während einer gemeinsamen Konzertreise in Utrecht den Solopart bei der Uraufführung bestritt, zählt es „zu den genialsten Stücken, die Robert geschrieben“ hat. Wie improvisiert wirken die kantabel angelegten Motive, was dem Stück melodiöse Lebendigkeit verleiht. Harfenartig setzt Schumann das Klavier ein und lässt es die gesamte Bandbreite seiner Möglichkeiten durchmessen. Beide Konzertstücke erreichten nie die Popularität ihres „großen“ Bruders, des Klavierkonzerts in a-moll, sondern gerieten zunächst einmal sogar für lange Zeit in Vergessenheit.
Wie schon bei ihrem Konzert im Düsseldorfer Schumannfest 2010 umrahmen Christoph Eschenbach und Tzimon Barto mit diesen Konzertstücken die ariationen über ein eigenes Thema Es-Dur in der Funktion des langsamen Mittelsatzes, um auf diese Weise ein „dreisätziges Klavierkonzert“ zu erhalten. Eine Idee, die Eschenbach bereits vor Jahren entwickelte. Die von ihm vorgesehenen Gesänge der Frühe op. 133 erwiesen sich als zu lang, weshalb Barto die Variationen vorschlug. Es mag dahin gestellt bleiben, ob dieses Verfahren als gelungen zu bewerten ist. Nötig haben es die Konzertstücke jedenfalls nicht. Sie wirken durchaus für sich allein und können vor dem Hörenden bestehen. Dies gilt auch für die „Geistervariationen“, wenn sie denn nicht überstrapaziert werden. Barto und Eschenbach musizieren in bester Weise, einfühlsam den Erfordernissen des Notentextes nachkommend.
Nie drängt sich das Klavier unangemessen in den Vordergrund. Umgekehrt lässt Eschenbach die Musiker des NDR Sinfonieorchesters eine wunderbare Klangbasis bereiten. Als besondere „Zugabe“ spielen Eschenbach und Barto die von Claude Debussy 1891 arrangierte Fassung für zwei Klaviere von Schumanns sechs Studien für den Pedalflügel op. 56. Da der Pedalflügel ziemlich rasch aus der Musizierpraxis verschwand, erhielten solche Bearbeitungen große Bedeutung. Debussy geht behutsam vor, modernisiert das Klangbild ein wenig und verstärkt die von Schumann intendierte poetische Grundstimmung.
(Irmgard Knechtges-Obrecht)