Robert Schumann
Sämtliche Werke für Violine und Orchester
Lena Neudauer, Violine. Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken, Kaiserslautern.
Pablo González (Ltg.)
Stuttgart / Holzgerlingen: SWR music. hänssler CLASSIC, 2010
LC 10622, CD-No 93.258
Ein neuer Stern am CD-Himmel – und was für ein glänzendes Debüt! Dabei ist es nun wirklich kein „gängiges“ Repertoire, sind es keine „Schmankerln“ oder „Hits“, was uns die junge, erst 26-jährige Münchner Geigerin Lena Neudauer (Schülerin von Helmut und Thomas Zehetmair sowie Christoph Poppen und vierfache Preisträgerin des Augsburger Leopold-Mozart-Wettbewerbs) darbietet. Oh nein, es ist SCHUMANN, also schwere Kost, und das sozusagen in geballter Ladung. Das Konzept der CD stammt von Joachim Draheim, und da wundert uns nichts mehr: Wenn einer, so weiß er Bescheid um die verborgenen Schätze, hat er doch etliche davon selbst gehoben, von denen sich mindestens einer auf der CD wiederfindet. Und er hat auch den hoch informativen, dabei aber gut lesbaren Booklettext verfasst.
Worum handelt es sich nun im einzelnen? Es sind die konzertanten Werke Robert Schumanns für Violine und Orchester versammelt, und mancher mag sich wundern, dass diese tatsächlich die CD bis zur letzten Minute (TT: 79:15) füllen. Noch immer hat es sich nämlich nicht überall herumgesprochen, dass es neben dem auch nicht gerade überstrapazierten Violinkonzert in d-Moll (WoO 1 nach neuer Zählung, gemäß dem Werkverzeichnis von Margit L. McCorkle) noch ein solches in a-Moll (op. 129 Anh.) gibt, das eine Eigenbearbeitung des Komponisten nach seinem Cellokonzert darstellt und von Draheim 1987 entdeckt und ediert, von Saschko Gawriloff in Köln uraufgeführt wurde, ohne dass die Geiger der Welt sich nun darauf gestürzt hätten.
Lena Neudauers Aufnahme ist derzeit die einzig greifbare (neben einer von Gidon Kremer mit der gänzlich inadäquaten Orchesterversion von Schostakowitsch), und schon deshalb sollte jeder Schumannfan nach ihr greifen. Aber darüber hinaus ist Neudauer eine wunderbar sensible Interpretin, die den je eigenen, sehr unterschiedlichen “Ton“ der beiden Konzerte mit makelloser Technik und eindringlichem Klangsinn zu gestalten weiß. Ihr sekundiert die Deutsche Radio Philharmonie Kaiserslautern / Saarbrücken unter Leitung des gebürtigen Spaniers Pablo González mit spürbar großem Engagement. Außer den beiden Konzerten ist noch die Violinfantasie op. 131 zu hören, die Schumann kurz vor dem d-Moll-Konzert komponierte, und quasi als “Encores“
begegnen uns mit den Bearbeitungen dreier vierhändiger Stücke (aus op. 85) von Ernst Rudorff („Gartenmelodie“ und „Am Springbrunnen“) und Joseph Joachim („Abendlied“) noch drei wirkliche Raritäten, die man nicht als bloße „Füller“ betrachten sollte.
Im 19. Jahrhundert übertraf das „Abendlied“ an Popularität die heute allgegenwärtige „Träumerei“, während es heute ebenso wie diese gelegentlich auf Trauerfeiern anzutreffen ist – zu Unrecht, wie wir meinen. Mit dieser im Januar 2010 im Saarbrücker Funkhaus aufgenommenen CD hat sich Lena Neudauer mit ihrer Guadagnini von 1743 in die erste Reihe des deutschen Geigernachwuchses gespielt, und man kann sich schon heute freuen, weiter von ihr zu hören.
(Gerd Nauhaus)