Lars Vogt, Klavier

Lars Vogt

Franz Liszt: Sonata in B minor
Robert Schumann: Fantasie in C major
Berlin Classics. Edel Kultur, 2010
LC 06203. 03000648BC

Zwei Meilensteinen der Klavierliteratur stellt sich der für interpretatorische Qualität bekannte Lars Vogt bei seinem neuen Label Berlin Classics. Robert Schumanns CDur- Fantasie op. 17 und die h-moll-Sonate S 178 von Franz Liszt: zwei Werke, die unterschiedlicher in ihrer Tonsprache kaum sein können und dennoch in einem engen Zusammenhang stehen. Als durch Franz Liszt ein Spendenaufruf für das Beethoven-Denkmal in Bonn zum 65. Geburtstag des Komponisten am 17. Dezember 1835 erging, wollte auch Schumann dazu einen Beitrag leisten und entwarf im Sommer 1836 ein dreisätziges Werk in C-Dur, das er noch vor Weihnachten dem Verleger Kistner in Leipzig mit folgenden Worten anbot: „Florestan und Eusebius wünschen gern etwas für Beethovens Monument zu thun und haben zu diesem Zweck etwas unter folgendem Titel geschrieben: Ruinen. Trophaeen. Palmen. Große Sonate f. d. Pianof. Für Beethovens Denkmal von etc.“ Letztendlich wurde das Werk 1839 unter dem Titel Fantasie veröffentlicht und Liszt gewidmet. Liszt revanchierte sich später bei Schumann, als er diesem seine einzige, 1852/53 entstandene und 1854 erschienene Klaviersonate in h-moll dedizierte. Auf diese Zueignung konnte Schumann nicht mehr selbst reagieren, da er zum Zeitpunkt von Liszt Übersendung der Sonate bereits in der Endenicher Heilanstalt weilte.

Lars Vogt sieht in beiden Werken Gemeinsamkeiten im visionären Ansatz, die überlieferte klassische Sonatenform aufzubrechen. Schumann streicht vor der Drucklegung den Terminus „Sonate“ aus dem Titel seines op. 17 und ersetzt ihn durch „Fantasie“, wodurch schon äußerlich auf die freie formale Anlage hingewiesen wird. Aber auch Liszts einzige Auseinandersetzung mit der Sonate ist geprägt durch enorme formsprengende Dynamik. Dies differenziert wiederzugeben, stellt schon immense Anforderungen an die Konzentration und Gestaltungskraft des Pianisten. Hinzukommen – neben den beinahe schon als selbstverständlich vorausgesetzten technischen Fähigkeiten, die beide Werke verlangen – starke Akzente unterschiedlichen Ausdrucks. Neben der analytischen ist hier auch eine hohe emotionale Intelligenz des Pianisten gefragt. Lars Vogt bringt sämtliche Voraussetzungen mit und schafft es, pianistisch ausgefeilt, durchdacht, transparent und ausgewogen zu interpretieren.

Weder verfällt er bei Schumann einer zu stark aufgetragenen emotionionalen Ausdeutung, noch bei Liszt einer vordergründigen Virtuosität. Die beiden Werken gemeinsamen Tendenzen, wie aber auch die gravierenden Unterschiede spielt Vogt auf das Feinste heraus. „Hier sind zwei Genies am Werk, die sich besonders in diesen Werken in keinerlei Rahmen pressen lassen und dabei  offensichtlich alles sprengen, was da war und sein wird“, sagt Lars Vogt in einem Gespräch mit Maja Ellmenreich, das im Booklet abgedruckt ist. Hier erhält der Leser einen Einblick in die tief gehenden, der Interpretation zugunde liegenden Gedanken.

(Irmgard Knechtges-Obrecht)