Werke für Orgel. Hrsg. v. Jean Guillou.

Robert Schumann.
Edition Schott ED 9906.
Mainz et al.: Schott Musik International, 2006


Jean Guillou widmet sich in dieser Ausgabe drei der wohl ungewöhnlichsten Werke Schumanns. Es sind dies die Studien. Sechs Stücke in canonischer Form op. 56 und Vier Skizzen op. 58 für Pedalflügel sowie die Sechs Fugen über den Namen BACH op. 60 für Orgel oder Pedalflügel.

Der Pedalflügel erlebte zu Schumanns Zeit eine intensive, wenn auch recht kurze Blütezeit. Zwar erhofften sich die Komponisten zunächst wesentliche Impulse für die gesamte Musik durch die vielfältigen Möglichkeiten, die ein solches Instrument zweifelsohne bietet. Letztendlich blieb allerdings die Zahl der dafür entstandenen Werke gering. Und selbst diese verharrten eher in einer Art Experimentierstadium, als dass sie wirkliche Konzertreife erlangten. Die eigenwillige Bauweise des Pedalflügels sowie seine Zwitterstellung zwischen Orgel und Flügel bergen doch mehr Schwierigkeiten, als die Komponisten zunächst ahnten. Dennoch besa~en wohl au~er Schumann noch weitere, zahlreiche Musikerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts ein solches Instrument, die insbesondere von der renommierten Firma Pleyel in Frankreich hergestellt wurden. Bei deren Bauweise waren eigene Pedalsaiten mit einer unter den Tasten liegenden Mechanik angebracht.

Jean Guillou stellt die von ihm besorgte Ausgabe der drei Werkzyklen Schumanns unter einen bestimmten Aspekt, den er im Vorwort ausführlich darlegt. Guillou geht davon aus, dass Schumann diese Werke für das Klavier konzipierte, jedoch die Möglichkeit einräumte, sie auch auf der Orgel zu spielen. Insofern hält er eine "Übersetzung~' bzw. "Transkription" für erforderlich, "weil das Spiel dieser Werke auf der Orgel den Interpreten in die Pflicht nimmt, nach geeigneten Gestaltungsmitteln zu suchen, die es auf diesem Instrument ermöglichen, die ganze Poesie dieser in Wirklichkeit für das Klavier gedachten Kompositionen abzubilden". Entsprechend bestückt Guillou seine Edition mit konkreten Hinweisen, die jene Mittel ausnutzen sollen, die eine Orgel bietet. Sein Ziel ist dabei, den Organisten den Zugang zu diesen Werken zu erleichtern und ihnen eine orgelgemä~e Ausgabe zu verschaffen. Die Angaben, die Guillou in den Notentext schreibt, regeln hauptsächlich Phrasierung, Registrierung und Registerauswahl.

Ist die Intention des Herausgebers auch durchaus nachvollziehbar und verständlich, so erscheint diese Verfahrensweise dennoch fragwürdig. Zum einen greift man mit solch klaren, im Notentext verankerten Anweisungen zur Interpretation auch in Schumanns Vorstellung ein, der  ganz im Gegenteil  dem Ausführenden in seiner Komposition selbst den Sachverhalt so vermittelt, dass bewusst Spielraum offen bleibt. Zum anderen scheint auch fraglich, ob die Organisten ihrerseits derart "gegängelt" werden wollen. Diese im Gesamtbild ordentlich gestaltete Ausgabe bietet somit auf jeden Fall Anlass zur anregenden Diskussion und ist eine bereichernde Zugabe. Sie muss aber als Adaption verstanden werden und keineswegs als allgemeingültige und vom Komponisten autorisierte einzige Fassung.

(Irmgard Knechtges-Obrecht)