Sonaten für Violine und Klavier

Ensemble
Magazin für Kammermusik
3-2007 Juni / Juli, Seite 53-54

Noten

Robert Schumann
Sonaten für Violine und Klavier, Band 2
Herausgegeben von Ute Bär
Fingersätze und Hinweise zur Interpretation von Christiane Edinger (Violine) und Peter Roggenkamp (Klavier)
Wiener Urtext Edition
UT 50238
EUR 24,95

„Einmal wurde Joachim zum Besuch erwartet. Schumann schlug uns in heiterer Stimmung vor, gemeinschaftlich eine Violinsonate zu componiren. Joachim sollte dann errathen, von wem jeder Satz wäre.
Albert Dietrich (1829-1908)

Noch immer steht Robert Schumanns letzte Violinsonate im Schatten ihrer beiden Schwestern, obwohl sie, wie Eduard Melkus 1960 in der Neuen Zeitschrift für Musik schrieb, „an Bedeutung und Schönheit den bereits 1851 entstandenen Violinsonaten in a-Moll op. 105 und d-Moll op. 121 nicht nachsteht.“ Dem ist auch heute nichts hinzuzufügen – Robert Schumanns 3. Violinsonate in a-Moll gehört zum Schönsten und Bedeutendsten, was dieser vor seiner Krankheit noch komponiert hat. Nach seinem Tod jedoch geriet sie rasch in Vergessenheit und teilt somit das Schicksal beinahe des gesamten Schumann’schen Spätwerks. Doch wie konnte es dazu kommen?

Vielleicht liegt der Grund dafür darin, dass diese Sonate ursprünglich als freundschaftliches Gemeinschaftswerk dreier Komponisten entstanden ist (Albert Dietrich, Johannes Brahms und Robert Schumann), die damit einen vierten (dem Geiger Joseph Joachim) einen kleinen Willkommensgruß darbieten wollten. In dieser Form ist sie übrigens im vorliegenden Band ebenfalls enthalten und bietet einen faszinierenden Einblick in das, was drei komponierende Freunde im Oktober 1853 zwei Wochen lang beschäftigt hat. Für den ersten Satz war Albert Dietrich zuständig, der ein Schüler Schumanns war (dessen „Märchenerzählungen“ ihm gewidmet sind), und er hat sich dieser Aufgabe gar nicht einmal schlecht entledigt.
Einige satztechnische Ungeschicklichkeiten wird man dem 24-Jährigen noch verzeihen und dass sich sein Klaviersatz nicht so flüssig spielt wie die seiner beiden Kollegen … nun ja. Er hatte nun aber auch Pech mit der Auswahl seiner Mitautoren – gegen das Genie des (vier Jahre jüngeren) Johannes Brahms und die Erfahrung Schumanns hätte wohl kaum ein anderer Komponist eine Chance gehabt. 1935 ist die „F.A.E.“-Sonate der drei Freunde (der Titel leitet sich bekanntlich von Joachims Lebensmotto „frei, aber einsam“ ab) erstmals veröffentlicht worden – aus dem Status einer Kuriosität scheint sie jedoch niemals recht herausgetreten zu sein.

Der Ruch des „Zufälligen“ und „Kuriosen“ scheint auch auf Robert Schumanns 3. Violinsonate abgefärbt zu haben. Zwar ersetzte dieser die beiden nicht von ihm komponierten Sätze durch eigene Erfindungen und in dieser Form wurde das Werk bis zu Schumanns Einlieferung in die Nervenheilanstalt auch verschiedentlich im privaten Rahmen musiziert. Doch gegenüber der Öffentlichkeit wollte man die 3. Sonate ebenso wie andere Werke aus Schumanns Spätphase verschweigen, offenbar auf Druck von Clara, deren Motive noch immer rätselhaft erscheinen. Erst 1956 – als sich Robert Schumanns Tod zum hundertsten Mal jährte – erschien die Sonate auf der Grundlage der autografen Klavierpartitur der F.A.E.-Sonate und des Arbeitsmanuskripts der nachkomponierten Sätze bei Schott & Co. Ltd. in London.

Ein halbes Jahrhundert später scheint sich Schumanns 3. Sonate noch immer nicht recht durchgesetzt zu haben. Diesen Zustand zu ändern und ein wunderschönes Werk der Vergessenheit zu entreißen, ist das erklärte Ziel der vorliegenden Ausgabe. Die Wiener Urtext-Ausgabe geht dabei wie gewohnt sehr gründlich vor und bietet nicht nur den vollständigen Text der Schumann-Sonate, sondern auch die vorausgegangene „F.A.E.-Sonate“ mit den Sätzen von Dietrich und Brahms. Ein lesenswertes Vorwort informiert nicht nur über die Entstehungsgeschichte des Werkes; die Aufführungshinweise von Christiane Edinger (Violine) und Peter Roggenkamp (Klavier) liefern auf knappem Raum erhebliche Denkanstöße und erhellende Hinweise. Ein großzügig bemessener Kritischer Bericht unterstreicht den wissenschaftlichen Anspruch dieser Ausgabe – die freilich auch einen entscheidenden Nachteil aufweist: Der im Vergleich zu anderen Ausgaben bei der Wiener Urtext traditionell größere Stich und der luftige Satz bedingen ein häufiges Umblättern – und nicht immer finden sich passende Wendestellen.