Dichterliebe Opus 48.

Robert Schumann.

Liederkreis aus Heinrich Heines "Buch der Lieder". Faksimile. Herausgegeben und mit einer Einführung von Elisabeth Schmierer. Mit einem Geleitswort von Brigitte Fassbaender.

Meisterwerke der Musik im Faksimile, Bd. 9. Laaber: LaaberVerlag, 2006 ISBN: 3890076416

Robert Schumanns Dichterliebe op. 48 ist seine umfangreichste und gewichtigste Vertonung eines Textes von Heinrich Heine und zählt gleichzeitig mit zu den bedeutendsten Liederzyklen der Romantik überhaupt. Was könnte da zum Doppel-Jubiläum der 150. Todestage Schumann und Heine im Jahr 2006 passender sein, als eine Faksimilierung des Autographs zu op. 48, das in der Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt wird. Dieses, in vorliegendem Band vollständig reproduzierte Autograph repräsentiert die wichtigste Quelle des Werkes. Sie dokumentiert nicht nur das abgeschlossene Kompositionsstadium, wie es Anfang Juni 1840 vorliegt, sondern gewährt durch zahlreiche Korrekturen innerhalb des Manuskripts und Änderungen gegenüber der Druckfassung von 1844 auch interessante Einblicke in die Werkstatt des Komponisten. Als "Arbeitsmanuskript" wird es dem entsprechend im 2003 erschienenen Schumann-Werkverzeichnis angeführt.

Entstanden ist die Dichterliebe in Schumanns "Liederjahr" 1840, in dem der Komponist nach langen, Nerven aufreibenden Querelen mit seinem ehemaligen Lehrer Friedrich Wieck endlich dessen Tochter und Schülerin, die äußerst talentierte Pianistin Clara Wieck, heiraten konnte. Bereits vor dem Hochzeitstermin im September 1840 entstand zu Beginn dieses Jahres eine Fülle an Liedkompositionen, einer Gattung, mit der Schumann sich zwölf Jahre lang nicht beschäftigt hatte. Die ersten, mit Opuszahlen versehenen 23 Werke, die bis dahin entstanden und gedruckt wurden, gehören ausschließlich dem Bereich der Klaviermusik an. Nun komponiert Schumann innerhalb eines Jahres den größten Teil seiner gesamten Lieder. So entstanden zwischen Ende Mai und Anfang Juni 1840 innerhalb kürzester Zeit 20 Lieder auf Gedichte aus Heines 1827 erschienenem Buch der Lieder. Konkret entnahm sie Schumann dem 65 Gedichte umfassenden Lyrischen Intermezzo dieser Sammlung. Erst vier Jahre später ließ Schumann 16 dieser Lieder unter dem Titel Dichterliebe als op. 48 bei Peters in Leipzig drucken. Die vier vor der Drucklegung aussortierten Lieder veröffentlichte er Jahre später im Rahmen anderer Opera. Während Schumann diese Druckfassung des op. 48 der berühmten Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient widmete, dedizierte er die 20 Lieder des im vorliegenden Faksimile reproduzierten Autographs dem Freund und Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy.

Die Texte der Dichterliebe beschreiben den Weg vom gefühlvollüberschäumenden Liebeserwachen über den qualvollen Moment des Abgewiesenwerdens bis hin zum fast dramatischen Stadium der Depression eines unglücklich Liebenden, der seine Liebe schließlich quasi "begraben" muss. Schumann entwickelt in seiner Vertonung eine Art Dramaturgie, zu der er in Folge seines gerade erlittenen eigenen Liebesschicksals eine starke Affinität verspürte. Heines doppelbödige Ironie, seine fein nuancierte

Symbolik, mit deren Hilfe er auch die kompliziertesten Stimmungen zu beschreiben vermag, werden in Schumanns Vertonung eingefangen. Charakteristisch für viele Heine-Vertonungen Schumanns sind die ausgedehnten Klaviernachspiele. In op. 48 reflektieren sie das zuvor durch Wort und Musik Dargestellte und verhindern eine klar abgeschlossene Wirkung: Die romantische Sehnsucht nach dem Unerreichbaren soll bestehen bleiben.

Sorgfältig reproduziert, ansprechend gestaltet und gründlich kommentiert bietet die vorliegende Faksimile-Ausgabe eine Bereicherung für jede Schumann-Bibliothek. Durch ihre gelungene Aufbereitung wird diese bedeutende handschriftliche Quelle des 19. Jahrhunderts für jeden verständlich, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.


(Irmgard Knechtges-Obrecht)