Norbert Burgmüller. Sämtliche Klavierwerke.

Denkmäler Rheinischer Musik. Hrsg. v. der Arbeitsgemeinschaft für Rheinische Musikgeschichte, Bd. 30.

Sämtliche Lieder. Werke für Klarinette.

Denkmäler Rheinischer Musik. Hrsg. v. der Arbeitsgemeinschaft für Rheinische Musikgeschichte, Bd. 31.
Hrsg. v. Martin Kopitz.
Köln: Verlag Dohr, 2008.

Der 1810 in Düsseldorf geborene und 1836 in Aachen verstorbene Komponist Norbert Burgmüller hatte zeitlebens große Mühe, Anerkennung für seine musikalischen Werke zu finden. Sein aufregender Lebenswandel, sein herbes und von unglücklichen Liebesaffären bestimmtes Schicksal und seine berühmt- berüchtigten Zechtouren trugen erheblich mehr zu seinem Bekanntheitsgrad bei, als die wenigen, von ihm erhaltenen Kompositionen. Keines seiner Werke wurde bis zuseinem frühen Tod veröffentlicht und nur wenige zu Lebzeiten aufgeführt. Der im gleichen Jahr geborene Robert Schumann sorgte, ohne Burgmüller persönlich gekannt zu haben, 1839 durch einen umfangreichen Aufsatz und durch mehrere Werkbesprechungen in der von ihm gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik für eine erste nachdrückliche Würdigung von Burgmüllers Gesamtschaffen. Nicht zuletzt dadurch initiiert, wurden einige Werke noch im Verlauf des 19. Jahrhunderts der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nachdem der Verlag Friedrich Kistner in Leipzig 1863 Burgmüllers musikalischen Nachlass erworben hatte, wurden weitere Werke publiziert. Dennoch gibt es immer noch unbekannte Kompositionen, die auf ihre Drucklegung warten.

Der rührigen Düsseldorfer Norbert-Burgmüller-Gesellschaft ist es zu verdanken, dass in den letzten Jahren nicht nur der Komponist und sein Schaffen zunehmend bekannter gemacht wurden, sondern auch – unterstützt durch finanzielle Zuschüsse der Kunststiftung NRW – in der Reihe Denkmäler Rheinischer Musik der Arbeitsgemeinschaft für Rheinische Musikgeschichte im Kölner Verlag Dohr sämtliche Werke Burgmüllers veröffentlicht werden. Mit Band 30 dieser Reihe legt der Herausgeber Martin Kopitz alle Werke für Soloklavier vor. Darunter befinden sich die relativ bekannte, bereits 1839 in Leipzig gedruckte Klaviersonate f-moll op. 8, von der ein Exemplar im Besitz von Johannes Brahms war, sowie Burgmüllers einzigartige Rhapsodie, die Brahms bereits 1854 in Düsseldorf
entdeckte und überaus lobend bewertete. Des weiteren bietet der Band die Polonaise op. 16, deren Autograph mehrfach den Besitzer wechselte, und den bisher unveröffentlicht gebliebenen Walzer Es-Dur.

Als ebenso sinnvolle wie schöne Beigabe dieses Bandes ist eine CD mit sämtlichen Klavierwerken Burgmüllers sowie Stücken von dessen Bruder Frédéric und von Felix Mendelssohn Bartholdy, gespielt von dem vielseitigen Pianisten und Vorsitzenden der Burgmüller-Gesellschaft Tobias Koch, der zeitgemäße Flügel von Conrad Graf (ca. 1826) und Ignace Pleyel (ca. 1835) verwendet. Einige Stücke sind Ersteinspielungen, so jener Marcia funébre in a-moll op. 103, den Mendelssohn Bartholdy 1836 für die Beerdigung des Freundes und Kollegen Burgmüller schrieb.

Band 31 der Reihe enthält sämtliche Lieder sowie drei Kammermusikwerke Burgmüllers, neben dem bekannten Duo für Klarinette und Klavier in Es-Dur op. 15 auch ein Ständchen in der ebenso ausgefallenen wie aparten Besetzung Klarinette, Viola und Gitarre. Burgmüllers Kammermusik liegt somit komplett vor, der Band mit den Streichquartetten erschien bereits 2002. Die meisten der von Burgmüller erhaltenen Lieder nach Texten bekannter Dichter, darunter Goethe, Heine und Uhland, folgen einem schlichten, volksliedhaften Duktus. Einige wenige sind als durchkomponierte Balladen des dramatischen Typus angelegt, was sie in die Nähe der Lieder Schuberts rückt. Der Herausgeber Martin Kopitz hat die von Burgmüller benutzten Textvorlagen – soweit bekannt – aufgesucht und für die vorliegende Edition herangezogen. Neben den in in vier, zwischen 1838 und 1864 erschienenen Sammlungen gedruckten Liedern bietet der Band noch zwei weitere Lieder, von denen eines nur fragmentarisch erhalten ist.

Martin Kopitz liefert ausführliche Editionsberichte zu seinen gut recherchierten und sorgfältig aufbereiteten Ausgaben. Als Grundlage seiner Editionen konnte er nur in einigen Fällen Autographe heranziehen. Ansonsten verwendet er die Erstausgaben der jeweiligen Werke. Sinnvolle Kommentierungen und Betrachtungen zu Entstehungs- und Druckgeschichte liefern darüber hinaus schlüssige Begründungen für die vorliegenden Notentexte. Wo möglich bzw. überhaupt vorhanden, werden Quellen aussagekräftig miteinander verglichen. Fehlerhafte oder ungenaue Stellen sind sehr behutsam und in angemessener Weise durch den Herausgeber ergänzt bzw. geändert worden. Durch Erläuterungen und drucktechnische Maßnahmen kann der Benutzer solche Passagen gut nachvollziehen.

Angereichert mit Abbildungen einiger Autographe, durch den Verlag elegant ausgestattet und drucktechnisch in einwandfreier Qualität ist der Zugriff auf weitere, zum Teil immer noch unbekannte Burgmüller-Werke nun möglich.¹

Mit Ausnahme des bereits 2002 erschienenen Streichquartett-Bandes wird die Gesamtausgabe der Werke des von Robert und Clara Schumann hoch geachteten Komponisten Norbert Burgmüller durch die Kunststiftung NRWgefördert. Der hier vorgestellte Band „Sämtliche Klavierwerke“ wurde auf der Frankfurter Musikmesse am 03. April 2009 mit dem Deutschen Musikeditionspreis „Best Edition“ in der Sparte „Wissenschaftliche Einzelausgaben“ ausgezeichnet. Damit wird die hohe Qualität der Edition nochmals von der Fachwelt anerkannt, so wie auch dem Streichquartette-Band im Jahre 2003 diese Auszeichnung zugesprochen worden war. Die wissenschaftliche Ausgabe zeichnet sich durch ihre Verwendbarkeit in der Musikpraxis (Aufführungsmaterial zu allen Denkmäler- Bänden separat erhältlich), hervorragende Lesbarkeit und hohes editorisches Niveau aus.

¹Bis hier ver¨offentlicht in Die Tonkunst, April 2009, Nr. 2, Jg. 3 (2008)