Jena – eine Schumannstadt

Abb. Jena, Stahlstich, um 1840 (StadtMuseum Bonn)
Abb. Jena, Stahlstich, um 1840 (StadtMuseum Bonn)

1.  Robert Schumanns Promotion in Jena.
    Aufenthalte und Konzerte von Clara Schumann in Jena

Die Universitätsstadt Jena blieb bisher im Zusammenhang mit dem Musikschriftsteller und Komponisten eher unerwähnt, jedoch hat Schumanns Leben hier eine entscheidende Wende genommen. Robert Schumann hatte seine spätere Frau Clara Wieck schon als Klavierschüler ihres Vaters in Leipzig kennengelernt. Seit 1835, Clara war 16 Jahre alt, nahm ihre Beziehung festere Gestalt an. Dies stieß auf heftigen Widerstand bei Friedrich Wieck, der Schumann im Februar 1836 den Umgang mit seiner Tochter untersagte und dem jungen Künstler Stumpfsinnigkeit vorwarf. Trotz zeitweiliger Annäherung kulminierte der Streit schließlich 1839 in einem Gerichtsverfahren, da Schumann die ihm von Wieck auferlegten Bedingungen für die Heirat (stabile soziale Absicherung) ablehnte und die fehlende Zustimmung des Vaters gerichtlich ersetzen wollte. Dies gelang ihm Anfang 1840, nachdem am 28. März Wiecks Berufung vom Gericht abgelehnt worden war.

Auf diesem Hintergrund gewinnt Schumanns in Jena angestrebte Promotionsverfahren eine besondere Bedeutung. Ein erster Versuch, in Leipzig diese Würde zu erwerben, scheiterte. In Jena wurde die Freundschaft zum Diakon Gustav Adolf Keferstein, der Beiträge für Schumanns „Neue Zeitschrift für Musik“ verfasste und zudem Schumann für eine Promotion beim Dekan der Philosophischen Fakultät, Christian Ernst Gottlieb Reinhold, empfahl, zu einem begünstigenden Faktor. Keferstein verkehrte seit seiner Anstellung in Jena 1824 in akademischen Kreisen. Neben seiner Arbeit als Geistlicher nahm er in herausragender Weise am Musikleben der Saalestadt Anteil. So war er ein glühender Verehrer der Pianistin Clara Wieck, die u.a. in Jena eines der letzten Klavier-Konzerte unter ihrem Mädchennamen in den Jenaer Rosensälen gab.

Schumann richtete sich in einem Schreiben vom 7. Februar 1840 mit der Bitte um Annahme zur Promotion an den Dekan Reinhold. Beigefügt waren ein handgeschriebener Lebenslauf, wohl der einzige von Schumanns Hand überlieferte, und mehrere Sittenzeugnisse. Dieses Prozedere war in den Statuten der Fakultät für eine Promotion „in absentia“ vorgeschrieben. Eingereicht wurden von Schumann zudem mehrere, von ihm verfasste Aufsätze, die als „Promotionsschrift“ gewertet wurden.
Im Schreiben des Dekans informierte dieser seine Kollegen sehr wohlwollend über den Leipziger Bewerber: „Herr Robert Schumann, sowohl in Deutschland als im Ausland durch seine musikalischen Kompositionen, und durch seine ästhetischen Abhandlungen und Kunsturtheile im Fache der Musik, namentlich auch diese seit einer Reihe von Jahren von ihm redigierten „Neuen Zeitschrift für Musik“ auf das rühmlichste bekannt, hält um unsere Doctorwürde an.“ (UAJ, M 292/1 Bl 37r). Schumann hatte sich zwar vorgestellt, „zum Doctor der Musik creirt zu werden“. Diesen Wunsch lehnte man jedoch mit der Begründung ab, dass „der generelle Titel Doctor der Philosophie für ihn ehrenvoller sey“. (UAJ, M 292/1 Bl 37r)
Die Fakultätsmitglieder befanden einstimmig Schumann einer Promotion für würdig.

Die erfolgreiche Promotion wurde Robert Schumann mit einer Urkunde vom 24. Februar 1840, also noch inmitten des Gerichtsstreites mit Friedrich Wieck, bestätigt. Damit war der üble Vorwurf der „Stumpfsinnigkeit“ völlig entkräftet. Ebenso wie Schumann hatte 1827 der berühmte Botaniker Matthias Jakob Schleiden in Jena „in absentia“ promoviert und Karl Marx absolvierte das Verfahren nur wenige Monate nach Schumann mit einer ebenso anerkannten wissenschaftlichen Leistung.

Promotionsurkunde von Robert Schumann Friedrich-Schiller-Universität Jena
Promotionsurkunde von Robert Schumann Friedrich-Schiller-Universität Jena, UAJ, M 262 Bl. 46r

Sowohl Robert Schumann als auch seine Frau Clara hinterließen im kulturellen Gedächtnis der Jenaer Akademiker bleibende Spuren. Schumann verweilte freilich nachweislich wohl nur als Sechzehnjähriger auf der Durchreise in Jena. Seine Frau hingegen war mehrfach zu Konzerten in der Saalestadt und logierte entweder bei Kefersteins oder im Hotel „Zur Sonne“ auf dem Jenaer Markt. So gab die Pianistin am 24. September 1836 ein Konzert in den Rosensälen mit folgendem Programm:

1. Ouverture
2. Quartett-Gesang
3. Johann Peter Pixis: Konzert op. 100 2. und 3. Satz
4. Compositionen für das Pianoforte in historischer Folge
a) Johann Sebastian Bach: Fuge Cis-Dur
b) Ludwig van Beethoven: Finale der Sonate f-Moll op. 57 (Appassionata)
c) Frederic Chopin: Nocturne Fis-Dur op. 15 Nr. 12
d) Frederic Chopin: Große Concert-Etude aus op. 10
5. Quartett-Gesang
6. Henri Herz: Neueste Bravourvariationen op 76

2.  Die Söhne der Schumanns, Ludwig und Ferdinand, in der Stoyschen Erziehungsanstalt in Jena

Bereits mit dem Selbstmordversuch Robert Schumanns im Februar 1854 und der anschließenden Einlieferung in die Nervenheilanstalt Bonn-Endenich, sah sich Clara Schumann vor die Aufgabe gestellt, in alleiniger Verantwortung ihr Familienleben mit sieben Kindern zu organisieren und für deren Erziehung und Lebensunterhalt zu sorgen. Als Robert Schumann am 29. Juli 1856 verstarb, lebten die jüngsten Kinder Ludwig (8 Jahre), Ferdinand (7 Jahre), Eugenie (4 Jahre) und Felix (2 Jahre) in der elterlichen Wohnung in Düsseldorf in der Poststraße. Bei Abwesenheit der Mutter oblag der Wirtschafterin Bertha Boelling die Aufsicht, die sich den Anforderungen bald nicht mehr gewachsen sah. Die künftigen, geplanten Konzertreisen zwangen Clara, insbesondere für Ludwig und Ferdinand eine Entscheidung über die künftige Erziehung zu treffen. Zwischen 1856 und 1861 wechselten Ludwig und Ferdinand vier Mal die Erziehungsanstalten. Dies war dem steten Bemühen Clara Schumanns geschuldet, ihren Kindern die bestmögliche Erziehung angedeihen zu lassen. Ostern 1857 kamen Ludwig und Ferdinand in die Stoysche Erziehungsanstalt nach Jena, absolvierten am 7. Mai 1857 ihre Aufnahmeprüfung und blieben dort bis Oktober 1859. Der bevorstehende Umzug, der gute Ruf der Stoyschen Anstalt und nicht zuletzt die freundschaftliche Verbindung zu Familie Preußer aus der Dresdner Zeit von Robert und Clara Schumann dürften die Entscheidungsfindung begünstigt haben. Gustav Preußer pflegte eine engere Bindung zu Karl Volkmar Stoy.

Im Internat der Jenaer Schule am Löbdergraben wohnten ca. 50 bis 80 Zöglinge. Ludwig und Ferdinand Schumann absolvierten während ihres zweieinhalbjährigen Aufenthaltes die Quarta und erhielten Unterricht in den Fächern Deutsch, Geschichte, Religion, Französisch, Naturbeschreibung, Geographie, Arithmetik, Singen, Zeichnen, Schreiben und Turnen. Leicht fiel ihnen der Unterricht wohl nicht und auch altersbedingte Jungenstreiche waren ihnen nicht fremd. Den Klavierunterricht der beiden Jungen, auf den Clara großen Wert legte, musste sie separat bezahlen. Die lange Trennung von der Mutter und den Geschwistern wurde nur selten unterbrochen. Einmal besuchte die Mutter ihre Söhne in Jena: „Von mir kann ich Ihnen nicht viel sagen, ich habe meine Reise schnell und glücklich zurückgelegt, war in Jena, wo ich meine Knaben prächtig fand […]“. Die Kontakte zwischen Clara Schumann und der Erziehungsanstalt beschränkten sich auf brieflicher Verständigung, das gelegentliche Versenden von Päckchen für die Jungen und die vierteljährliche Zahlung der Aufenthaltsgebühren.

Orthographiediktat Ludwig Schumann Friedrich-Schiller-Universität Jena
Orthographiediktat Ludwig Schumann Friedrich-Schiller-Universität Jena, UAJ, S Abt. I, Nr. 93, Bl. 112r

Die Entscheidung Clara Schumanns, Ludwig und Ferdinand mitten im Schuljahr 1859 aus der Stoyschen Erziehungsanstalt herauszunehmen, traf Minna und Karl Volkmar Stoy schwer und wurde als persönlicher Affront empfunden. Ihre Bemühungen, Clara zu überzeugen, die Brüder zumindest das Schuljahr oder das bereits bezahlte Quartal in der Anstalt zu belassen, waren vergeblich. Zu der angekündigten Soiree Clara Schumanns für die Anstalt kam es nicht mehr. Um den 14. Oktober 1859 reisten die Jungen mit dem Zug von Apolda nach Frankfurt a. M. und meldeten sich bereits am 21. Oktober aus der privaten Lehranstalt des Dr. Breusing in Bonn.

Dr. Thomas Pester (FSU Jena)
Margit Hartleb (FSU Jena)
Dr. Christine Haustein (Jena)

Literatur: Joachim Bauer/ Jens Blecher (Hg.): Der „akademische“ Schumann und die Jenaer Promotion von 1840. Leipzig 2010; ISBN: 978-3-86-530-7.