Robert Schumann. Chorwerke 1.
MDR-Rundfunkchor, Howard Arman (Dirigent, Klavier)
MDR Edition 14 by querstand, einem Label des Verlags Klaus-Jürgen Kamprad, 2006
VKJK 0609
Im Januar 1848 hatte Schumann in Dresden einen Chorgesangverein gegründet, dem er bis zu seinem Fortgang nach Düsseldorf Ende August 1850 vorstand. Die Arbeit mit dem Chor löste eine starke künstlerische Inspiration aus, nicht zuletzt, weil der Komponist nun die Möglichkeit hatte, eigene Vokalkompositionen direkt aus dem Manuskript erproben zu können. Chorpraxis und Chorkomposition befruchteten sich wechselseitig. Zahlreich und vielfältig sind die musikalischen Zeugnisse der Arbeit mit dem Chor, die ihm laut eigener Aussage große Freude bereitete. Schumann versuchte, den schlichten, volksliedartigen Charakter mit den Ansprüchen des Kunstliedes zu verbinden. In seinen Romanzen und Balladen kam er diesem Bestreben wohl am nächsten. Darüber hinaus schuf er damit ein neuartiges Genre der Chorliteratur. Viel zu selten nur werden diese Chorsätze heute gesungen, viel zu sehr sind sie in der Versenkung verschwunden. Die Sängerinnen und Sänger des größten professionellen Konzertchores Deutschlands, dem MDR-Rundfunkchor, unter Leitung ihres Chordirektors Howard Arman empfanden es nun als eine faszinierende Aufgabe, im 150. Todesjahr des großen Romantikers gerade diese Stücke wieder bekannter zu machen. Alle auf vorliegender CD eingespielten Chorsätze entstanden in Schumanns so genanntem "fruchtbarsten Jahr" 1849.
Diese CD bildet den Auftakt einer Schumann-CD-Reihe im Rahmen der MDR Edition. Sie umfasst Schumanns Sammlungen Romanzen und Balladen für gemischten Chor a cappella op. 67 und op. 75, seine beiden Hefte Romanzen für Frauenstimmen mit willkürlicher Begleitung des Pianoforte op. 69 und op. 91, die Drei Lieder für drei Frauenstimmen und Klavier op. 114. In den nächsten Jahren sollen CDs mit weiteren chormusikalischen Werken folgen, u.a. für Männerchor und Doppelchor. Insbesondere mit seinen Frauenchorliedern begab sich Schumann nicht nur auf gattungsgeschichtliches Neuland, sondern setzte darüber hinaus Maßstäbe für alle nachfolgenden Komponisten. In vollkommen eigenständiger Weise dringt er hier in das Wesen dieser Art vokaler Ensemblemusik ein. Der verdienstvolle Schumannforscher Hans Joachim Köhler erläutert diese Zusammenhänge im gut dokumentierenden Booklet.
Während Schumann für das artifiziellere Sololied gerade die subjektive Lyrik schätzte, wählte er zur Vertonung für den mehrstimmigen Chorgesang viel eher Gedichte mit erzählendem Inhalt. Thematisch steht die Liebe in all ihren Facetten und Konsequenzen im Vordergrund. Obwohl die strophisch konzipierten Chorsätze einem volkstümlich-einfachen und sangbaren Duktus folgen, besticht deren farbenreiche und differenzierte Gestaltungsweise. Das Nachempfinden des Textes und dessen musikalische Ausleuchtung sind für Schumann trotz aller Schlichtheit vorrangig. An manchen Stellen werden inhaltlich begründete szenische Momente durch solistische Einschübe oder durch das Gegenüberstellen von solistisch besetzten Partien und dem Chor erzeugt. Häufig entsteht so ein dialogisierendes Spiel zwischen einzelnen Stimmgruppen.
Diesen meist unterschätzten, als "volkstümlich-schlicht" im Sinne von "leicht" verstandenen schumannschen Anforderungen werden die Stimmen des Leipziger Rundfunkchors in jeder Phase gerecht. Klangschön und dem Stil angemessen musizieren sie, auch da wo sie solistisch zum Einsatz kommen. Präzise dirigiert von ihrem Leiter Howard Arman arbeitet der Chor in Dynamik und Tongebung die Strukturen der Lieder überzeugend heraus. Auch den einigen Stücken beigegebenen Klavierpart führt Arman zuverlässig und den Gesang einfühlsam unterstützend aus.
(Irmgard Knechtges-Obrecht)