Claudia Macdonald: Robert Schumann and the Piano Concerto
New York (Routledge) 2005
DIE TONKUNST, Januar 2007, Jg. 1, Nr. 1
Seite 77-78
Da die Feierlichkeiten zum Andenken an Wolfgang Amadeus Mozart im vergangenen ›Mozart-Jahr‹ mit Festivals, TV-Dokumentationen und CD-Produktionen sehr im Vordergrund des öffentlichen Interesses standen und andere musikalische Ereignisse zu übertönen drohten, fiel es anderen Jubilaren schwer, auf sich aufmerksam zu machen. Nicht so Robert Schumann, dessen 150. Todestag im vergangenen Jahr gedacht wurde. Das belegten nicht nur zwei große Ausstellungen in Bonn (Zwischen Poesie und Musik. Robert Schumann – früh und spät und Robert Schumann in den Augen der Nachwelt), das in alljährlich in Düsseldorf stattfindende Schumannfest oder musikwissenschaftliche Symposien (etwa in Bonn Schumann und die große Form oder Robert Schumann: Das Spätwerk in Bremen), sondern auch einige hochkarätige Buchpublikationen. Nachdem, um nur zwei Beispiele zu nennen, in der ersten Jahreshälfte die nun erstmals zugänglich gemachten Krankenakten Schumanns aus seiner Zeit in der Heilanstalt Endenich veröffentlich wurden (vgl. dazu die folgende Rezension von Christoph Kammertöns in diesem Heft), ist in der zweiten Jahreshälfte mit dem Schumann-Handbuch, dass sich nicht nur in einzelnen Kapiteln dem Gesamtwerk Schumanns nähert, sondern auch musikästhetische und kompositionsgeschichtliche Fragestellungen mit in den Blick nimmt, ein weiterer, für die Schumann-Forschung wichtiger Band erschienen. Einen weiteren Beitrag zum Jubiläumsjahr leistete nun Claudia Macdonald, die ihre Forschungsergebnisse zum Schumannschen Klavierkonzert aus zwanzigjähriger Arbeit in dem pünktlich zum Jubiläumsjahr vorgelegten Band zusammengefasst hat. Ihr Ziel ist es, Robert Schumanns Leistungen auf dem Gebiet der Komposition für Klavier und Orchester sowie die Geschichte der Gattung in der Zeit der 1810er bis in die Mitte der 1850er Jahre aus der Perspektive des Komponisten Schumann aufzuzeigen.
Sie untergliedert ihre Studie in drei Bereiche unterschiedlichen Umfangs. Die ersten vier Kapitel stellen eine Gruppe von Konzerten, die zwischen 1810 und 1830 entstanden sind, in den Mittelpunkt. Dabei berücksichtigt die Autorin Schumanns persönliche Entwicklung in der Umgebung einer Kleinstadt und dessen Ambitionen, ein professioneller Pianist zu werden, sowie seine Begeisterung für den brillanten Stil, wie er z. B. in den Konzerten von Johann Nepomuk Hummel oder Henri Herz in Erscheinung tritt. In den folgenden sieben Kapiteln stellt Macdonald Schumanns Kritiken und Rezensionen der 1830er Jahre (nach Konzertaufführungen oder der Durchsicht von Partituren von zeitgenössischen Konzerten) vor. Nachdem Schumann 1832 die Virtuosenkarriere aufgrund der Versteigung eines Fingers aufgeben musste und 1834 die Neue Zeitschrift für Musik ins Leben gerufen hatte, wollte er mit diesem Organ auf die Geschmacksbildung der gebildeten Öffentlichkeit und den Bereich der ambitionierten Amateure wirken. Im Zuge seiner redaktionellen Tätigkeit hat er im Laufe der Jahre mehrere hundert neu erschienene Werke rezensiert. Unter diesen waren etwa 30 Konzerte von Johann Nepomuk Hummel, Friedrich Kalkbrenner, Ferdinand Ries, John Field, Henri Herz, Sigismund Thalberg, Ignaz Moscheles, Felix Mendelssohn, Sterndale Benett, Clara Wieck und vielen anderen Komponisten. Macdonald stellt mit ihren Untersuchungen fest, dass Schumann einen Typus von Konzert bevorzugte, der einem älteren Stil verpflichtet bleibt, dabei aber von einer neuartigen Formauffassung geprägt ist. Diese Haltung Schumanns wurde laut Macdonald durch die Beschäftigung mit den Konzerten Beethovens verstärkt. Schumanns Auseinandersetzungen mit den so entwickelten kompositorischen Idealen wird zum einem in dem unvollendeten Konzertsatz in d-Moll von 1839, zum anderen in der Phantasie a-Moll, die später zum ersten Satz des Klavierkonzertes op. 54 umgearbeitet wurde, deutlich.
In einem abschließenden Abschnitt mit den beiden letzten Kapiteln sowie einem Epilog diskutiert Macdonald Schumanns kompositorische Ergebnisse bei der Verwirklichung seiner Vorstellungen von Konzertkomposition und legt Stilanalysen des Klavierkonzerts a-Moll p. 54 (1845) und der beiden Konzertstücke Introduktion und Allegro appassionato op. 92 (1849) und Introduktion und Allegro op. 134 (1853) vor. Da es sich nach ihrer Überzeugung bei op. 92 um symphonische Musik handelt, nimmt Macdonald im Folgenden einen Vergleich dieses Werkes mit zwei weiteren Konzertkompositionen Schumanns vor: dem Konzertstück für vier Hörner op. 86 (1849) und dem Violoncellokonzert op. 129 (1850). Im Vergleich zu den zuvor besprochenen Werken betont op. 134 (Introduktion und Allegro) hingegen den Virtuosenanteil und steht somit der Phantasie für Violine op. 131 (1853) nahe, was die Autorin mit einem stilistischen Vergleich belegt.
Claudia Macdonald bietet in ihrer Studie eine umfassende Betrachtung des Konzertschaffens Robert Schumanns, da sie sich bei ihren Analysen nicht auf die bereits angeführten, vollendeten Werke beschränkt, sondern auch Schumanns Projekte, unvollendete Werke und Skizzen auf diesem Gebiet, mit in den Blick ihrer Forschung nimmt und somit ein vielseitiges Bild von Schumanns Sicht auf das Komponieren von Konzertwerken zeichnet. Am Ende ihrer Untersuchungen kommt sie zu dem Schluss, dass Schumann sich zeitlebens nicht auf ein bestimmtes Modell festlegen wollte und sowohl dem virtuosen als auch dem thematisch arbeitenden Typus Rechnung trug. Schumann gelang die Verschmelzung beider Bereiche in jeweils unterschiedlich anteiliger Gewichtung zu immer neuen individuellen Formgebungen. Allerdings sind die Veränderungen, denen Schumann zustimmte, obwohl er wiederholt in seinen Rezensionen schrieb, dass er nach etwas Neuem auf dem Gattungsfeld des Konzerts suche, vergleichsweise gering. Zum Beschluss gibt Macdonald mit der Analyse des späten Violinkonzertes (1853) von Schumann und einem Blick auf das erste Klavierkonzert von Johannes Brahms op. 15 einen Ausblick auf die in späterer Zeit erfolgte Verwirklichung von Schumanns kompositorischen Idealen in Werken anderer Komponisten.
Der Text ist mit zahlreichen Notenbeispielen versehen und macht so den Nachvollzug der ausführen Analysen möglich. Abgerundet wird die Studie durch eine Aufstellung der im Text besprochenen Werke und ihrer Komponisten sowie ein umfangreiches Personenregister. Die zahlreichen und umfangreichen Vergleiche mit zeitgenössischen Werken sowie die detaillierten Analysen unter einer reichen Verwendung von Notenbeispielen und Übersichten schaffen ein lebendiges Bild des musikalisch-kompositorischen Umfelds von Schumann und lassen das Werk ganz nebenbei zu einer umfangreichen konzertgeschichtlichen Materialsammlung werden, die auch derjenige heranziehen kann, der sich über das Konzertschaffen Schumanns hinaus beispielsweise über die Faktur der Klavierkonzerte Chopins informieren möchte.
Fabian Bergener