Piano Concerto in A minor, Op. 54 - Symphony No. 4 in D minor, Op. 120.
Robert Schumann.
Martha Argerich (Piano), Gewandhausorchester Leipzig, Riccardo Chailly (Dir.)
EuroArts Music International GmbH, 2006
2055498
Außer den beiden im Titel genannten großen sinfonischen Werken Schumanns stellt diese DVD noch weitere interessante Kompositionen vor. In knapp einhundert Minuten wird ein Konzert wiedergegeben, das Anfang Juni 2006 im Leipziger Gewandhaus anlässlich des Schumannjahres stattfand.
Die Aufnahme beginnt mit Adagio gi Allegro brillante aus Schumanns Symphonischen Etüden op. 13 in der 1863/64 für Orchester arrangierten Fassung von Peter Tschaikowsky. Die Stimmenfülle des Klaviersatzes sowie jene im Titel beschriebenen sinfonischen Dimensionen, die Schumann in diesen Klavierstücken auf beinahe revolutionäre Weise eröffnete, übertrug nun Tschaikowsky für seine Bearbeitungen geschickt und mit gutem Gespür für die einzelnen Instrumente in eine Orchesterpartitur.
Als Höhepunkt der ersten Konzerthälfte interpretiert Martha Argerich Schumanns Klavierkonzert in a-moll op. 54. Gut aufeinander abgestimmt agieren hier Solistin und Orchester in überzeugender Klangfülle und Ausdrucksvielfalt. Riccardo Chailly führt elegant durch sämtliche Passagen, was insbesondere den heftigen metrischen Klippen des Finales zu Gute kommt. Möglicherweise weil sie den Solopart des Konzerts schon so häufig gespielt hat, legt Martha Argerich in manche Stelle etwas zu viel Inbrunst, so dass ihr Spiel leicht maniriert wirkt. Nötig wäre dies nicht, spricht doch gerade in dieser Komposition Schumanns Musik für sich schon eindringlich genug. Sämtlichen genügend vorhandenen technischen Finessen des Klavierkonzerts begegnet Argerich ebenso versiert wie furios. Für den zu Recht erhaltenen überschwänglichen Beifall bedankt sie sich mit einer Zugabe aus Schumanns Kinderszenen op. 15: "Von fremden Ländern und Menschen". Reizend und schlicht gespielt wirkt dieses Stückchen wie ein intimer Ruhepunkt im glanzvollen Gesamtbild.
Bevor das zweite umfangreiche Werk des Abends, Schumanns Sinfonie in d-moll op. 120, in beeindruckender Stringenz, sinnvoller Phrasierung und tonschönem Klangbild wirklich großartig dargeboten wird, erklingen jene vier Stücke aus Schumanns Klavierzyklus Carnaval op. 9, die Maurice Ravel 1914 für den russischen Tänzer Waslaw Nijinsky orchestrierte, der einige Jahre zuvor mit Serge Diaghilews Ballets Russes nach Paris gekommen war und seitdem dort Aufsehen erregte. Die Interpretation des Leipziger Gewandhausorchesters unter Chailly betont vor allem die scharfe rhythmische Komponente der ausgesprochen tänzerisch angelegten Stücke.
Zwar ist es durch das Medium DVD möglich, Konzerte im heimischen Wohnzimmer nicht nur zu hören, sondern ihnen auch optisch beizuwohnen, dennoch steht und fällt der Genuss mit einer geschickten Kameraführung. So nah kommt man dem Bogen des Streichers, dem Mundstück der Klarinette, den einzelnen Fingern der Pianistin und den Schweißperlen auf der Stirn des Dirigenten im Konzertsaal niemals. Die Frage bleibt nur, ob das nicht auch besser so ist. Wer sich nun tatsächlich durch diese Dinge zu sehr vom eigentlichen musikalischen Inhalt abgelenkt fühlt, dem mag die hervorragende Audioqualität der DVD zum alleinigen Hörerlebnis genügen. Der Möglichkeiten bieten sich also viele, und interessant sind sie alle, was eine Anschaffung absolut lohnenswert macht.
(Irmgard Knechtges-Obrecht)