Robert Schumann op. 40

Robert Schumann
Fünf Lieder für eine Singstimme und Klavier op. 40

1. Märzveilchen / Martsviolerne.Nicht schnell, innig
2. Muttertraum / Tyveknægten.Langsam
3. Der Soldat / Soldaten.Nicht zu langsam
4. Der Spielmann / Spillemanden.Quasi Presto
5. Verrathene Liebe.Leicht 

Als Robert Schumanns „Liederjahr“ wird das Jahr 1840 bezeichnet, in dem der Komponist nach langen, Nerven aufreibenden Kämpfen mit seinem ehemaligen Lehrer Friedrich Wieck endlich dessen Tochter und Schülerin, die äußerst talentierte Pianistin Clara Wieck, heiraten darf. Bereits vor dem ersehnten Hochzeitstermin im September 1840 entsteht zu Beginn dieses Jahres eine Fülle an Liedkompositionen, eine Gattung also, mit der Schumann sich zwölf Jahre lang nicht beschäftigt hat. Seine in den Jahren 1827/28 komponierten so genannten „Jugendlieder“ bleiben zu Lebzeiten des Komponisten unveröffentlicht. Die ersten, mit Opuszahlen versehenen 23 Werke, die bis 1840 entstehen und von Schumann selbst zum Druck freigegeben werden, gehören bekanntermaßen ausschließlich dem Bereich der Klaviermusik an. Erst nachdem Schumann meint, die unterschiedlichsten Spielarten und Formen dieser Gattung ausgeleuchtet zu haben, scheint für ihn der geeignete Moment gekommen zu sein, nun auch wieder die Singstimme in sein Œuvre einzubeziehen. Wie so oft auf seinem Schaffensweg erfolgt auch dies recht systematisch und in gewisser Hinsicht schubweise: Schumann widmet sich über einen längeren Zeitraum hinweg einer musikalischen Gattung oder einem bestimmten Textdichter ausschließlich und mit auffallend großer Energie.
Im Extremfall beansprucht ein solcher Vorgang nur wenige Tage, wie bei seinen Liedern op. 40.

Unter den zahlreichen Liederzyklen, -reihen und -hefte dieser Zeit nehmen die im Juli 1840 komponierten Fünf Lieder op. 40 eine gewissen Sonderstellung ein. Allen fünf Liedern liegen Übersetzungen Adelbert von Chamissos zu Grunde, aber nur die ersten vier Lieder gehen auf dänische Gedichte von Hans Christian Andersen zurück. Dieser 1805 in Odense, der Hauptstadt der Insel Fünen geborene Dichter verlässt 1831 zum ersten Mal Dänemark, um nach Deutschland zu reisen. In Berlin macht er die Bekanntschaft Adelbert von Chamissos, dem er einige seiner Gedichte übergibt. Chamisso überträgt wenig später eine Auswahl davon ins Deutsche und ist somit der erste, der Andersen in Deutschland einführt. Chamisso, der selbst ein Dichter ist, hält sich dabei nicht sklavisch an die dänischen Originale, sondern bearbeitet die Texte recht frei und nach seinen Vorstellungen bildhaft. Statt von Übersetzungen sollte man daher wohl eher von Nachschöpfungen der dänischen Gedichte sprechen. Während Chamisso bei den Andersen-Gedichten jedoch die Grundstruktur des Originals bewahrt, geht er bei der Textvorlage zu op. 40 Nr. 5 „Verrathene Liebe“ in umgekehrter Weise vor, indem er die freie Form des originalen Gedichts zugunsten einer festen Strophenform aufgibt. Außerdem ergänzt er in den beiden letzten Versen inhaltlich Neues. Die französische Vorlage zu diesem Gedicht von Claude Charles Fauriel geht ihrerseits auf einen ursprünglich griechischen Text zurück. Schumann fügt seinem op. 40 diese Vertonung erst am Ende hinzu, wohl um eine musikalische Geschlossenheit zu erzielen. Der durch die Andersen-Lieder erzielte zyklische Charakter geht dadurch allerdings verloren. Zahlreiche Gedichte Andersens gehen auf eigene Erlebnisse zurück, die sich in seinen umfangreichen autobiografischen Aufzeichnungen finden lassen. So auch die vier von Schumann in op. 40 vertonten Gedichte. Musikalisch greift Schumann die in Chamissos Übertragungen dargestellten Bilder auf, wobei er besonders die Klavierstimme zu deren Interpretation einsetzt. So wird im ersten Lied das Wort „Augenpaar“ auffällig hervorgehoben, im zweiten Lied „Muttertraum“ durch die Klavierbegleitung u.a. an das Schaukeln einer Wiege erinnert, und in Nr. 3 „Der Soldat“ dominiert der markante Marschrhythmus. Im Lied „Der Spielmann“ (Nr. 4), erreicht die Sammlung ihren dramatischen Höhepunkt. Gerade hier tritt das Klavier besonders effektvoll auf. Zwar gelingt Schumann mit „Verrathene Liebe“ ein eher schlichter Abschluss, dennoch ragt aber auch hier die Klavierstimme wieder durch ihre artifizielle Gestaltung heraus.

Die Lieder op. 40 erscheinen nach längeren Verlagsverhandlungen im September 1842 in Leipzig bei Kistner und gleichzeitig in Kopenhagen bei Lose & Olsen, hier mit einer doppelten Textunterlegung der Andersen-Lieder, die das dänische Original-Gedicht einfügt. Ein Zugeständnis sowohl an den dänischen Dichter, zu dem Clara und Robert Schumann in persönlichem Kontakt standen, als auch an den Kopenhagener Verlag, der sich dadurch eine weitere Verbreitung der Lieder auch außerhalb Deutschlands erhoffte. Allerdings erweisen sich die dänischen Texte als kaum singbar zu Schumanns Vertonungen, die ja zu Chamissos Übertragungen konzipiert wurden.

(Irmgard Knechtges-Obrecht)

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