Internationale Musikwissenschaftliche Konferenz, Leipzig 22.-24. April 2010
Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig,
Goldschmidtstraße 12
(Mendelssohn-Haus)
Robert Schumann. Persönlichkeit,
Werk und Wirkung.
Bei dieser vom Schumann-Netzwerk initiierten, vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien maßgeblich finanzierten und vom Musikwissenschaftlichen Institut der Leipziger Universität in Kooperation mit der Projektleitung des Schumann-Netzwerkes organisierten wohl wichtigsten Tagung anlässlich des 200. Geburtstags von Robert Schumann wurde ein breit gefächertes Programm geboten. Nicht nur der Wissenschaftler und Schumann-Forscher erfuhr neue und bereichernde Details, sondern auch der interessierte Laie konnte den Ausführungen mit Gewinn folgen.
In drei Tagen und fast 30 Referaten wurde Robert Schumann als Persönlichkeit, seine Werke sowie deren Wirkung und Rezeption in zahlreichen Facetten gut verständlich dargestellt. Das Vorgehen war beinahe chronologisch: Ausgehend von Schumann als dem jungen Literaten (Gerd Nauhaus), seinen frühen, auch autobiographischen Schriften (Constantin Floros) bis hin zu den Rezensionen in der NZfM und den Gesammelten Schriften (Bodo Bischoff). Die enge Beziehung zwischen Dichtung und Musik (Rufus Hallmark) ist für Schumanns Werk ebenso entscheidend, wie Clara Wieck bzw. Schumann (Nancy Reich), was sich in zahlreichen Kompositionen auch in gegenseitiger Bereicherung niederschlägt und besonders ausgeprägt im Liebesfrühling op. 37 ist (Rebecca Grotjahn). Die musikalische Intertextualität in Schumanns Stücken (Folke Bohlin) beschäftigte ebenso, wie seine politische Haltung, insbesondere im Vormärz (Ulrich Tadday), seine Einstellung zu antisemitischen Strömungen (Jon Finson) und zur Religiosität (Klaus Wolfgang Niemöller, Helmut Loos, Arnfried Edler).
Von ganz frühen, zum Teil fragmentarisch gebliebenen Kompositionen über die 1. (Thomas Synofzik) und die 3. Sinfonie (Wolfram Steinbeck) kam man zu späten Werken, wie dem Violinkonzert (Renata Suchowiejko), und letzten, wie den so genannten „Geistervariationen“ (Michael Struck). Dem breiten Bereich der Poetik, auch in kontrapunktischen Studien (Hans-Joachim Köhler), folgten einige Referate, die auch der Übertragung musikdramaturgischer Prinzipien aus der Oper auf die Sinfonik nachgingen (Stefan Keym). Die zeitgenössische Verarbeitung Schumannscher Musik (Peter Andraschke) und deren Rezeption in verschiedenen Ländern und Zeitaltern (Damien Ehrhardt, Olga Lossewa, Michael Heinemann, Luba Kyyanowska, Roe-Min Kok, Laura Tunbridge) wurde ausführlich betrachtet. Neue Möglichkeiten der Vermittlung durch Film und Fernsehen und deren Problematik ging man ebenso nach (Beatrix Borchard) sowie auch dem „fröhlichen Schumann“, für den es erstaunliche viele Belegstellen gibt (Matthias Wendt).
Gänzlich neue Erkenntnisse zeigten sich hinsichtlich der Originalität Schumanns, die doch stärker als erwartet den Strömungen des Zeitgeistes und weniger vermeintlich politischen Bekenntnissen unterlag (Kazuko Ozawa) und zu Schumanns Ballade Belsatzar, deren verschollen geglaubte Stichvorlage jüngst in Privatbesitz auftauchte (Bernhard R. Appel).
In manche Bereiche konnte recht tief eingedrungen werden, so dass sich rege Diskussionen ergaben, die nur aus zeitlichen Gründen manchmal abgebrochen werden mussten. Obwohl die Schumann-Forschung ein wirklich florierender Betrieb ist, wie diese Konferenz eindrucksvoll demonstrierte, gibt es aber auch 200 Jahre nach Schumanns Geburt und über 150 Jahre nach seinen Tod immer noch reichlich Stoff und viele Desiderata.
(Irmgard Knechtges-Obrecht)
Die Tagung war ausdrücklich für die Öffentlichkeit zugänglich und wurde schon Wochen vorab entsprechend beworben, vor allem mit in vielen Bäckereien, Reformhäusern, Buchgeschäften und Plattenläden, aber auch im Shop des Gewandhauses und der Kasse des Leipziger Schumannhauses ausliegenden Papiertüten, dem sog. „Lesefutter“, das perfekt „unter die Leute“ gebracht wurde.
Die Stadt Leipzig zeigte sich als großzügiger Gastgeber. Die Referenten und die Organisatoren wurden vom Leipziger Kulturbürgermeister Faber zu einem ehrenvollen und genussträchtigen Empfang in den prachtvollen Festsaal des Neuen Rathauses eingeladen (Grußworte: Kulturbürgermeister Michael Faber und Prof. Dr. Franz Häuser, Rektor der Universität Leipzig, Dank an die Gastgeber und den Geldgeber (BKM): Prof. Dr. Helmut Loos und Dr. Ingrid Bodsch) wie tags darauf zum Besuch der „Szenen aus ‚Goethes Faust’" ins Gewandhaus.
(I.B.)