Hommage `a Bach sur Piano Erard.

Robert Schumann.

Andreas Staier, Klavier
harmonia mundi s.a., 2008
LC 7045

Klavierstücke Robert Schumanns „von früh bis spät” spielt Andreas Staier auf dieser gerade erschienenen CD und liefert damit ein breites Spektrum! Er verwendet einen Flügel der Pariser Firma Erard von 1837 aus der Sammlung Edwin Beunk (Enschede), der von Edwin Beunk und Johan Wennink liebevoll restauriert wurde.

Für Schumanns frühe Klaviermusik sind die mechanischen und klanglichen Möglichkeiten dieses Instruments ausgesprochen passend. Zwar lernte Schumann in Düsseldorf die Klaviere der dort beheimateten Firma Klems kennen, auf denen er seine Werke auch gerne gespielt hörte, aber dennoch ist auch hierfür der Erard-Flügel geeignet, an dessen Mechanik und Korpus sich Klems bei seiner Bauweise eng anlehnte.

Ausgewählt hat Andreas Staier die Klavierstücke für diese CD unter dem Aspekt einer Reverenz, die Schumann in seinen Kompositionen auf unterschiedlichsten Ebenen der Musik Johann Sebastian Bach erweist. Intelligent und einleuchtend gleichermaßen erläutert Staier im umfangreichen Booklet diese Zusammenhänge unter dem Titel „Bach ist für Schumann zeitlebens höchste Instanz”. Jedem einzelnen Stück geht er in dieser Weise auf den Grund. Sie stammen aus den Sammlungen Kinderszenen op. 15, Scherzo, Gigue, Romanze und Fughette op. 32, Album für die Jugend op. 68, Waldszenen op. 82 und 7 Clavierstücke in Fughettenform op. 126. Bei manchen Stücken erschließt sich der Bezug zu Bach auf Anhieb, alleine auf Grund ihres Titels oder ihrer Kompositionsform. Bei den übrigen findet Staier interessante Erklärungsmodelle, die beweisen, wie tief er sich in die Materie eingearbeitet hat und wieviel Überlegung dahinter steckt. Das eingehende Studium der Quellen und Dokumente des Pianisten zeigt sich nicht zuletzt in den Äußerungen Schumanns, die -- zeitlich zur Entstehung der einzelnen Stücke passend -- sinnvoll dem Text an die Seite gestellt sind.

Das angenehm klare Klangbild des Erard-Flügels unterstützt Andreas Staier bei seiner Absicht, sämtliche Bach-Bezüge auf subtile Weise herauszuarbeiten. Da hört man auf einmal die allseits bekannten Stückchen aus dem Jugendalbum ganz anders und erkennt in der wohl nur scheinbaren Einfachheit dieser Musik ungeahnte Details, die ausgesprochen kontrapunktisch gedacht sind. Mindestens ebenso erstaunlich wirken in solcher Interpretation die Waldszenen. Poetisch und charaktervoll wie gewohnt, aber zudem voller kontrapunktischer Momente. Transparent wird somit Schumanns gelungene Verbindung zwischen den Besonderheiten des romantischen Charakterstücks und strenger kontrapunktischer Satzlehre. Beeindruckend arbeitet Staier auch die eigenwillige Harmonik und das dichte polyphone Stimmengewebe heraus, wie es besonders in den  Sieben Clavierstücken in Fughettenform von 1853 auftaucht.

Welch hohe Sorgfalt der Pianist dem schumannschen Notentext beimisst zeigt nicht zuletzt seine Interpretation der Tempowahl. Auch diesem viel diskutierten Thema von Schumanns möglicherweise defektem Metronom widmet er sich im Booklettext ausführlich. Dank dieses gewissenhaften Nachforschens erscheinen die meisten Stücke in einem neuen, wesentlich besseren Licht. Dies kommt besonders den Kinderszenen zugute, die nun nicht mehr ins Kitschige abzugleiten drohen, wie es leider in so vielen Interpretationen der Fall ist. Dass analytisches, wissenschaftliches Herangehen an Musik derart schön klingen kann, mag überraschen, sollte aber zum Normalfall werden. Und als wäre dies nicht schon Grund genug, diese CD unbedingt zu erwerben, sei auch noch die äußerst ansprechende Cover-Gestaltung erwähnt.

Ein Ohren- und Augenschmaus gleichermaßen!