Glückliche Geistesgaben
Bonner General-Anzeiger, 01.07.2006, S. 19
AUSSTELLUNG
Ein Doppel im Gedenkjahr: Das Bonner Stadtmuseum zeigt Robert Schumann "zwischen Poesie und Musik" und "in den Augen der Nachwelt"
Von Mathias Nofze
In den Jahren 1825 bis 1827 griff ein poesiebegeisterter Primaner in Zwickau wieder einmal zur Feder und legte eine Sammlung eigener Gedichte an. Eine "Elegie an Rom" findet sich darin, eine Schiller-Paraphrase "An die Eintracht" und anderes mehr, kurz "Allerley aus der Feder Roberts an der Mulde", wie sich der Autor nennt, hinter dem sich niemand anderes als Robert Schumann verbirgt, ein Teenager, der gleichermaßen für Poesie wie für die Musik entflammt war.
"Zwischen Poesie und Musik. Robert Schumann - früh und spät" lautet denn auch der Titel einer Ausstellung, die aus Anlass des Schumannjahres im Ernst-Moritz-Arndt-Haus gezeigt wird und sich einer Kooperation zwischen dem Stadtmuseum Bonn und der Robert-Schumann-Gesellschaft Zwickau verdankt. Die handgeschriebene Gedichtsammlung des Primaners Schumann ist eines von insgesamt 236 Exponaten, die sich zu der "größten Schumann-Ausstellung der letzten hundert Jahre" vereinen, wie Ingrid Bodsch, Direktorin des Stadtmuseums, bei der Eröffnung hervorhob.
Dem Besucher wird ein anschauliches Bild vorwiegend zweier Abschnitte der Schumannschen Biografe vermittelt - seiner Jugend-, Studien- und ersten Schaffenszeit, die mit den Orten Zwickau, Leipzig, Heidelberg und Wien verbunden ist, sowie seiner letzten Lebensphase in Düsseldorf und Bonn. Ausgestellt sind etwa Stadtansichten der Geburtsstadt Zwickau an der Mulde, ein Porträt der Eltern von Robert Schumann und Taufgerät aus der Zwickauer Marienkirche. Materialreich wird der Einfluss des Vaters auf die literarischen Interessen Schumanns veranschaulicht, etwa durch Exemplare der "Pocket library of English classics" oder der "Etui-Bibliothek der Deutschen Classiker", beides Buchreihen, die August Schumann herausgab. Daneben wird der früheste erhalten gebliebene Brief des siebenjährigen Robert an seine Mutter Christiane gezeigt oder ein mit den Initialen "R.S." besticktes Handtäschchen, vermutlich ein Geschenk des Hausmädchens Amalie Schwepfinger. "Glückliche Geistesgaben" attestiert dem Abiturienten Schumann das (in Latein verfasste) Abgangszeugnis des Zwickauer Lyzeums, erste kompositorische Anläufe belegt das Autograf von zwei Jugendliedern für Sopran und Klavier.
Konzipiert wurde die Ausstellung, die zuerst in Bonn, dann ab Oktober in Zwickau zu sehen ist, von Ingrid Bodsch und Gerd Nauhaus, dem Leiter des Schumann-Hauses in Zwickau. Ihren Wert erhält sie durch die Vielzahl von Musik-Autografen, Stichvorlagen, Erstdrucken oder Handexemplaren von Büchern, etwa das mit Einzeichnungen Schumanns versehene Exemplar von Jean Pauls "Flegeljahren", aber auch durch selten gezeigte Bild- und Sachzeugnisse. Beleuchtet werden Schumanns Aufenthalte in Leipzig, Heidelberg und Wien oder die Reisen nach Bayreuth oder Italien, zu sehen sind etwa ein Elfenbeinporträt des Studenten, Briefe an seinen Freund Gisbert Rosen, die stichpunktartige Biografie, "Materialien" betitelt, die musikalischen Studienbücher, Autografe der Paganini-Studien oder des frühen Klavierquartetts c-Moll und das Handexemplar des zweiten Bandes der "Neuen Zeitschrift für Musik".
Autografe Partituren und Stichvorlagen, unter anderen von der "Rheinischen Sinfonie", der "Missa sacra", der vierten Sinfonie, des Klaviertrios g-Moll oder vieler Ouvertüren belegen den schöpferischen Ertrag der Düsseldorfer Zeit. Den Aufenthalt in der Endenicher Heilanstalt illustriert zum Beispiel das "Patientenaufnahmebuch", das als Diagnose "Melancholie mit Wahn" vermerkt. Melancholie umgibt auch Claras "Blumenbuch für Robert", das im Rahmen der Ausstellung in einer opulenten Neuausgabe erschienen ist. Abgerundet wird die Ausstellung durch einen Katalog, der eine Reihe kenntnisreicher Aufsätze enthält.
Als nicht minder exponatengesättigt erweist sich die Ausstellung "Robert Schumann in den Augen der Nachwelt" im Stadtmuseum (Franziskanerstraße). Sie geht den unterschiedlichen Bildern beziehungweise Zerrbildern nach, die in Kunst, Literatur und Film bis hin zur Populärkultur entstanden sind. Ausgestellt werden Schumann-Postkarten, Gemälde, frühe Biografien, Romane, daneben das Originalplakat zur Enthüllung des Denkmals auf dem Bonner Friedhof am 2. Mai 1880, aber auch die irreführende Jubiläumsbriefmarke, die 1956 in der DDR herauskam.
Auch Film und Fernsehen ließen sich vom Phänomen Schumann inspirieren. 1983 entstand Peter Schamonis Film "Frühlingssinfonie" mit Herbert Grönemeyer als Robert, 1974 "Konzert für einen Außenseiter", eine Folge der Krimiserie "Polizeiruf 110". Gedreht wurde die übrigens im Zwickauer Schumann-Haus. Ausschnitte aus beiden Produktionen sind im Stadtmuseum zu sehen. Wer dann noch aufnahmefähig ist, nutzt den vor kurzem entstandenen virtuellen Schumann-Zugang via "schumann-portal.de".
"Zwischen Poesie und Musik. Robert Schumann - früh und spät". Ausstellung im Ernst-Moritz-Arndt-Haus, Adenauerallee 79. Öffnungszeiten: mittwochs bis samstags 13 bis 17 Uhr, sonntags 11.30 bis 17 Uhr.
"Robert Schumann in den Augen der Nachwelt". Ausstellung im Stadtmuseum, Franziskanerstraße 9. Montags 9.30 bis 14 Uhr, donnerstags bis samstags 13 bis 18 Uhr, sonntags 11.30 bis 17 Uhr.