Fabian Bergener:

Die Ouvertüren Robert Schumanns

= Studien und Materialien zur Musikwissenschaft, Band 62 260 S. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 2011
ISBN: 978-3-487-14540-2

„Als ob es nur eine, zwei Formen gäbe, in die sich alle geistigen Gebilde schmiegen müßten, als ob nicht der Gedanke seine Form von selbst auf die Welt brächte! Als ob nicht jedes Kunstwerk einen anderen Gehalt haben müsse und mithin auch eine andere Gestalt!“ Mit diesem Zitat Robert Schumanns beendet Fabian Bergener seine Dissertation und bringt damit das Ergebnis seiner Studie über Schumanns Ouvertüren auf den Punkt.

Bergener setzt sich in der Publikation intensiv mit dem literarischen und funktionellen Kontext der insgesamt acht Ouvertüren auseinander und bekräftigt die Wahrhaftigkeit der Schumann’schen Aussage, indem er die Ouvertüren als „eine Reihe höchst individuell geformter Einzelwerke“ bezeichnet. Der Weg hin zu diesem Ergebnis ist schlüssig und logisch angeordnet, weil ein klares Konzept zu erkennen ist.

Nachdem die Einführung allgemeine Informationen zur Gattung der Konzertouvertüre zusammenfasst sowie die Intention der Arbeit umreißt, wird explizit auf jede der acht Ouvertüren eingegangen, wobei Bergener jeweils zunächst Details zur Entstehungs- bzw. Rezeptionsgeschichte und zur literarischen Vorlage herausarbeitet. Schön sind die bereits in die Gliederung eingearbeiteten Zitate, die in allen Füllen den dritten Unterpunkt bilden und damit einhergehend den individuellen Charakter der einzelnen Ouvertüren treffend kennzeichnen. So wird beispielsweise op. 81 als „ein lebendiger und getreuer Reflex von der Oper“ bezeichnet oder op. 115 als „ein gewaltiges Seelengemälde“. Außerdem finden wir Bezeichnungen wie „Ohne die herkömmliche Form zu berücksichtigen“ (op. 128) und „Die Idee der Symphonie in eine[m] kleineren Kreis“ (op. 52). Allein diese kurzen, aber prägnanten Aussagen lassen erkennen, wie sehr sich die Ouvertüren untereinander unterscheiden und in welchem Gestaltungsfreiraum Schumann sich beim Komponieren bewegte. Die von Bergener ausführlich behandelten Analysen zeichnen ein anschauliches Strukturbild der einzelnen Ouvertüren. Abgerundet werden die Darstellungen durch einen Vergleich der Ouvertüren mit den Kopfsatzgestaltungen der Sinfonien Schumanns.

Abgesehen von einigen störenden Grammatik- und Rechtschreibfehlern lässt sich das Werk gut lesen und glänzt mit rhetorischer Geschicklichkeit, die den an manchen Stellen (musik)wissenschaftlich nicht zu vermeidenden trockenen Stoff elegant darlegt. Das Äußere des Bandes, das Schriftbild sowie die eingefügten Notenbeispiele sind ansprechend gestaltet und tragen zu einem angenehmen Lese-Erlebnis bei. Wer nur einen kurzen Einblick in die Eckdaten zu Enstehung, Erstaufführung und Erstdruck der einzelnen Ouvertüren wünscht, wird die auf dem mit unserer Robert-Schumann-Forschungsstelle erarbeiteten Schumann-Werkverzeichnis basierende Auflistung im Anhang sehr schätzen.

Allerdings gibt es noch eine zweite Seite der Medaille: Die Zusammenfassungen am Ende inhaltlich gut ausgeführter Gliederungsabschnitte erwecken teilweise durch die ähnliche Wiedergabe bereits kurz zuvor angeührter Sätze den Eindruck, als wäre beim Verfassen der Arbeit der Einfachheit halber zu oft die „Copy-and-Paste“-Taste gedrückt worden. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn Bergener etwas mehr Engagement darin gezeigt hätte, seine Recherchen auf Dokumente zu stützen, die bisher noch nicht veröffentlicht wurden. Statt dessen ist die Nähe zu der zur Gattungsgeschichte der Konzertouvertüre bereits vorliegenden Literatur – erwähnt seien u. a. die Dissertation von Susanne Steinbeck und die ausführliche Abhandlung von Bärbel Pelker – unvermeidlich zu erkennen. Vergleicht man beispielsweise nur die erste Seite der Einführung mit derjenigen Pelkers, sind die Ähnlichkeiten sogar erschreckend.



(Tirza Cremer)



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