Es flüstert die Trompete, es singt das Flügelhorn

Die Welt, 3. April 2008
Von Helmut Peters

Der Klassikstar Sergei Nakariakov glänzte beim Konzert mit dem Gewandhaus-Orchester Leipzig in der Musikhalle

Viele Menschen sähen die Trompete als ein Instrument, das vor allen Dingen laut ist, klagt die englische Trompeterin Alison Balsom und hört nicht auf, von seiner Transparenz und Leichtigkeit zu schwärmen. Mit schlanken und dennoch substanzreichen Tönen untermauerte nun der russische Startrompeter Sergei Nakariakov am Dienstag in der Musikhalle ihre These. Es war eine wahre Sternstunde der Kammermusik, die uns das Ausnahmetalent und seine erlesenen Partner an diesem Abend boten.
Das Gewandhaus-Quartett aus Leipzig hatte sich bereit erklärt, den ersten Teil zu begleiten und bewies zunächst einmal ohne den Bläser seine exklusive Klangkultur in Beethovens Streichquartett Nr. 4 c-Moll op. 18. Alle vier Streicher sind Stimmführer im Gewandhaus-Orchester und führen eine Tradition fort, mit der schon seit 1808, teilweise im persönlichen Kontakt mit Klassikern wie Mendelssohn, Schumann oder Dvorák Musikgeschichte geschrieben wurde.

Fein ist das Klangbild dieses Quartetts, das einzelne Töne ganz prononciert ansetzt und sofort wieder abdämpft, um kontrastreichen Steigerungslinien nicht den Schwung zu nehmen. Konsequent legte das Gewandhaus-Quartett die zerbrechliche Seele dieses Werkes offen, die Beethoven mit ungestümer Dramatik, Witz und Schalkhaftigkeit und einem als pfiffiges Scherzo verkleideten Andante immer wieder zu verbergen scheint.

Durchhörbar, kristallklar und zurückhaltend wie hier war auch die Dynamik in Mozarts Hornquintett Es-Dur K 407, bei dem Nakariakov derart einschmeichelnde, wandelbare Töne erzeugte, dass er an manchen Stellen beinahe leiser wirkte als die erste Violine. Nakariakov, der seit kurzem eine Frisur und einen Kinnbart wie der junge Claude Debussy trägt, spielte sein Flügelhorn hierbei völlig ohne Anstrengung. Nicht ein Aussetzer, nicht eine Ansatzschwäche, nicht eine Intonationsschwankung trübten den Eindruck, als er die herrlichen Kantilenen des Andantes schlicht und mit kleiner Vibratoamplitude mehr sang als blies.

Durch welche Mittel er die Klangqualitäten des von ihm so verehrten Flügelhorns am besten zur Geltung bringt, hat Nakariakov vom fleißig für ihn arrangierenden Vater gelernt. Heute sind er und seine Schwester, die Pianistin Vera Okhotnikova, ihre eigenen Bearbeiter und treten immer öfter auch gemeinsam auf. Beide hatten sich kluge Einrichtungen der Fantasiestücke op. 73 von Robert Schumann und zwei Lieder des französischen Klangpoeten Francis Poulenc für den zweiten Teil ihres Hamburger Konzerts zurechtgelegt. Und dass Okhotnikova interpretatorisch oft ähnliche Vorstellungen hat wie ihr berühmter Bruder, wurde er in der solistisch gespielten Chopin-Ballade noch einmal deutlich.