Edna Stern, CD „Carnaval“ – Rezension/Review von/by Cristoph Vratz für das Schumannportal

Robert Schumann: Carnaval, Kinderszenen, Intermezzo aus „Faschingsschwank aus Wien“; Edna Stern: To-nal or not to-nal op. 1; Enda Stern (Klavier)
Orchid classics ORC100338 (CD)

Reich an indirekten Beleuchtungen

Der Begriff „Quasi maestoso“ lässt Spielraum für denkbar unterschiedliche Herangehensweisen. Wie majestätisch darf es denn sein? Robert Schumann hat diese Bezeichnung für die „Préambule“-Eröffnung seines „Carnaval“ gewählt, und Edna Stern entscheidet sich für eine eher verhaltene Deutung: Kein wildes Hier-bin-ich, sondern eher eine fast fragende Geste: Hier nun, hier soll’s sein? Erst im weiteren Verlauf wird klar: Hier und jetzt soll’s sein!
Nach mehreren Solo-Alben, unter anderem mit Musik von Bach und Schubert, hat Edna Stern nun eine Aufnahme mit Klavierwerken von Robert Schumann vorgelegt, am Schluss abgerundet durch Sterns eigenes Opus 1: „To-nal or not to-nal“.
Zurück zur „Préambule“: Sterns verhaltener Ansatz führt im weiteren Verlauf dieses Satzes zu einem tänzerischen Charakter, unter genauem Einbezug der Bassstimmen. Ihr „Pierrot“ wirkt in Schumanns Sinne „moderato“ – die Zwischenrufe wirken organisch und nicht im Sinne einer schroffen, archaischen Gegenwelt. Sensibel, teils wie auf Zehenspitzen antwortet „Arlequin“. Die „Valse noble“ kommt zunächst zurückhaltend. Dieser Abschnitt ist in gewisser Weise bezeichnend für Sterns Schumann: Er lebt allenfalls in Einzelfällen von forschen, straffen Tempi, sondern lotet innerhalb der jeweils gewählten Zeitmaße die einzelnen Farben und Stimmen genau aus, was sich besonders dann zeigt, wenn Stern die Phrasen organisch und geradezu liedhaft rundet. Das ergibt keinen spektakulären, aber einen persönlichen und oft poetisch fein gezeichneten Schumann. Daneben gibt es Sätze wie „Papillons“, die einen forschen Zug nach vorn entwickeln, hier einschließlich einiger interessant hervorgehobener Nebenstimmen. Auch die dramaturgische Abfolge innerhalb des Zyklus wirkt überlegt und wie das Ergebnis gründlicher Abwägung. Etwa wenn der von kontrollierterErregtheit geprägte „Presto“-Abschnitt „Paganini“ in ein arios vorgetragenes „Aveu“ mündet.
Das „Intermezzo“ aus dem „Faschingsschwank“ dient hier im eigentlichen Wortsinne als Zwischenspiel, bevor Edna Stern sich den „Kinderszenen“ zuwendet. Auch hier: Das ist kein Klavierspiel, das in die Randzonen extremer Deutungen vordringt, sondern sich auf viele Momente von Binnen-Spannung konzentriert, etwa minimale Bewegungs- sprich: Phrasierungs-Unterschiede im „Hasche-Mann“. Wie eine vornehme Gestalt kommt der „Ritter vom Steckenpferd“ daher. Ein Poltergeist? Sicher nicht. Wenn abschließend der Dichter spricht, nimmt dieses Stück, dank eines mutigen Pedaleinsatzes, einen fast vorimpressionistischen Charakter an – die Miniatur als Vision.
Edna Stern verzichtet bei diesem Album weitgehend auf Momente, in denen sie auf Virtuosität, auf großen Schwung oder gar Wildheit setzt. Vielmehr öffnet sie mit ihrem mehr in die Musik hineinlauschenden Ansatz Räume für Zeit und Atem. Der Aufnahme fehlt es nie an Reflexion oder an indirekten Beleuchtungen, so dass sich insgesamt eine plastische Darstellung ergibt, die eine eigene Form von Nachdenklichkeit verrät. Das muss einem jungen Künstler, einer jungen Künstlerin erst einmal gelingen.

Christoph Vratz (November 2024)

Summary

With ‘Carnaval’ and ‘Kinderszenen’, Edna Stern has released a Schumann album - supplemented at the end by one of her own compositions - that is convincing not because of its sporty ambition but rather because of its well-considered realisation. Stern's approach does not favour forced tempi, but rather accurately explores the respective colours and voices within cautious, but never sluggish tempi. The recording never lacks reflection or indirect lighting, as many well devised details in phrasing and pedalling reveal. This results in a vivid performance that reveals its own form of thoughtfulness. (Translation of the summary in English: Daniel Höhr)

Die von uns eingesetzten und einsetzbaren Cookies stellen wir Ihnen unter dem Link Cookie-Einstellungen in der Datenschutzerklärung vor. Voreingestellt werden nur zulässige Cookies, für die wir keine Einwilligung benötigen. Weiteren funktionellen Cookies können Sie gesondert in den Cookie-Einstellungen oder durch Bestätigung des Buttons "Akzeptieren" zustimmen.

Verweigern
Akzeptieren
Mehr