Die Sehnsucht und Leidenschaft der Romantik

Von Erich Pawlu

Augsburger Allgemeine, 9.Januar 2008

Lauingen. In einer Welt der Dax- und Mindestlohndebatten sind Romantiker nicht gefragt. Die romantische Empfindung ist in die Konzertsäle verbannt. Dort aber berührt sie das Herz der Zuhörer wie eh und je. Das zeigte sich auch beim gut besuchten Dreikönigskonzert des "Kulturvereins zur Förderung der Streicherakademie Schwaben" im Lauinger Rathausfestsaal. Der Cellist Markus Wagner und Heiko Stralendorff am Flügel boten unter dem Motto "Romantisches Cello" ein erlesenes Programm.

Mit faszinierender Perfektion und werktreuer Sensibilität deuteten die beiden renommierten Musiker die gewählten Werke als träumerische Resultate einer musikalisch-sehnsüchtigen Suche nach der "Blauen Blume der Romantik" und als Dokumentation eines Gefühlsreichtums, der die Ordnungsprinzipien traditioneller Kompositionsmethoden bereits im 19. Jahrhundert in Frage stellte.

Die "Sonate Nr. 2 in D-Dur op. 58 für Violoncello und Klavier" von Felix Mendelssohn Bartholdy aus den Jahren 1842/43 gab den beiden Künstlern schon mit dem Allegro assai vivace Gelegenheit, die enge Verbindung von Leidenschaft und lyrischem Gestus in den musikalischen Motiven perfekt zum Ausdruck zu bringen. Wunderschön und virtuos gestalteten sie die Wiederkehr des Hauptthemas in ständig veränderter Klangfarbe, interpretierten das Allegro scherzando des zweiten Satzes als einen von Pizzicati und Stakkati beherrschten Kontrast, leiteten mit den aufrüttelnden Arpeggien im nachfolgenden Adagio zum düster gefärbten, von Bach beeinflussten Choralmelodie über und verdeutlichten im vierten Satz nach dem markanten Septimakkord-Auftakt die Verliebtheit der Romantik in die volksliednahe Melodik.

Robert Schumanns "Fantasiestücke op. 73" entstanden in der politisch bewegten Zeit des Jahres 1849. "Von den Schmerzen und Freuden, die die Zeit bewegen, der Musik zu erzählen, dies fühl ich, ist mir vor vielen Andern zuertheilt worden", heißt es in einem Brief Schumanns. Die ausgedehnten Melodienbogen des ersten und zweiten Satzes, die Schmerz und Ästhetik zu einer Einheit zusammenziehen, belegten in der überzeugenden Interpretation Markus Wagners und Heiko Stralendorffs eher die Sehnsucht des Komponisten, sich vor zeitgeschichtlichen Turbulenzen zu schützen.

Umso strahlender und befreiter wirkte der abschließende Satz, dem die Bezeichnung "Rasch und mit Feuer" vorangestellt ist. Cellist und Pianist servierten auch diese Demonstration romantischen Temperaments mit präziser Koordination und akzentuierten die musikalische Noblesse mit wohl dosierten Ritardandi.

Auch die "Sonate Nr. 2 F-Dur op. 99" von Brahms aus dem Jahr 1886 bewältigten die beiden Musiker mit scheinbarer Mühelosigkeit. Nur ein paar Rosshaare des Cellobogens kapitulierten vor den besonderen Schwierigkeiten und rissen. Wie Brahms' Vertraute Elisabeth von Herzogenberg empfanden die Lauinger Zuhörer die "mächtige Komprimierung" des ersten Satzes, die "wohlig warmen Klänge" des Adagios, die "gedrungene Kraft" des Scherzos und das "lyrische Thema" des abschließenden Allegros. Darüber hinaus war viel Technik zu bewundern: Die Wellenbewegungen des Cellobogens beim ständigen Seitenwechsel im Kopfsatz, die Verwandlung des Cello-Klangs in eine Singstimme und das Spiel über mehrere Oktaven im zweiten Teil, die an Ausrufe erinnernde Leidenschaftlichkeit im Adagio passionate und die pointierte Vehemenz im abschließenden Allegro molto.

Der stürmische Beifall der Zuhörer, die zu Beginn von Andreas Krug begrüßt worden waren, zwang Heiko Stralendorff und Markus Wagner zu einer brillanten Zugabe: Caspar Cassadós "Requiebros", vom Komponisten "À mon très cher maître Pablo Casals" gewidmet, erwies sich als iberisch rhythmisierter, großartiger Abschluss eines großartigen Konzerts.