Hampson singt Schumanns Liederkreis. 2006
Rezension eines Liederabends
Thomas Hampson: Robert Schumann "Liederkreis" op. 35
"Der Standard" vom 27.06.2006 Seite: 29 Ressort: Kultur
Lieder der Erschöpfung
Bariton Thomas Hampson im Wiener Musikverein
Petra Haiderer
Wien - Thomas Hampson hat sich alles abverlangt und sich eine
Woche nach einer Lebensmittelvergiftung vielleicht doch etwas (zu)
viel zugemutet. Gemeinsam mit seinem aufmerksamen Begleiter Wolfram
Rieger widmete sich der Bariton, in Abänderung des ursprünglichen
Programms, ausschließlich Werken von Robert Schumann, anstatt, wie
geplant, Liedern von Alexander Zemlinsky und Erich Wolfgang Korngold
mit einzubeziehen. Laut Programmheft eine Hommage zum 150. Todestag
des Komponisten.
Über stimmliche Probleme konnte Hampson aber weder im
"Liederkreis" op. 35 noch in der "Dichterliebe" hinwegsingen. Trotz
aller Routine und Erfahrung, die er besonders mit der vier
zusätzliche Lieder umfassenden Originalfassung der "Dichterliebe",
die Schumann unter dem Titel "20 Lieder und Gesänge aus dem Lyrischen
Intermezzo im Buch der Lieder für eine Singstimme und Pianoforte"
nach Gedichten von Heinrich Heine zusammengestellt hat.
Kein Risiko
Was im Forte mit Stimmdruck zu erzwingen ist, verlangte der Wiener
Publikumsliebling seiner Stimme beeindruckend ab. Und dies mächtig
und wortdeutlich. Doch wo die leisen Töne zum Tragen hätten kommen
müssen, machten sich Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Kaum konnte
der Amerikaner das Risiko wagen, seine Klangfarbenpalette zum Einsatz
zu bringen.
Piani sicherte er in der Kopfstimme ab, die Anstrengung
verfälschte bisweilen die sonst so treffsichere Intonation. Dann
auch: In tieferen Lagen wich Hampson manches Mal auf expressiven
Sprechgesang aus.
Charme und Geschick des Könners präsentierte Hampson bei Ich
grolle nicht; klug mit seinen Kräften haushaltend, überließ er die
exponierte Lage des dramatischen Höhepunkts dem Klavier, ließ sich
aber in der Intensität des Erzählens durch nichts beirren. Auch nicht
durch diverse Handys, die das Konzert im Musikverein viermal eher
nervtötend störten, wie wohl Hampson die berechtigte Verärgerung
anzumerken war.
Wie auch immer: Am Ende nahm er den Applaus des
Musikvereinspublikums entgegen - sichtlich erschöpft allerdings.
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