Thielemann dirigiert in München Schumann, Strauss und Pfitzner

Süddeutsche Zeitung, 01.12.2007, Ausgabe Deutschland, Bayern,
München, S. 19

Eigenwillig beharren

Wenn es einen König Marke unter den Dirigenten geben sollte, der Treuepflicht zugetan, wäre das wohl Christian Thielemann - der deutscheste aller deutschen Kapellmeister. Die Beharrlichkeit, mit der er seine Hauskomponisten zwischen Beethoven und Strauss verteidigt, bestimmt Thielemanns neue Münchner Philharmoniker-Saison (mit Richard-Strauss-Schwerpunkt). Und das aktuelle Konzert mit Orchester, Soli und Chor bestätigt es. Auf dem eigenwilligen Programm: zwei Spätwerke Schumanns und je zwei Gesangsnummern von Strauss und Pfitzner. Vier Stücke, immerhin, von denen nur die "Manfred"-Ouvertüre im Ohr ist - ansonsten ausgesuchte Raritäten des Repertoires. Das "Requiem" Robert Schumanns ist schier unbekannt.

Die Schumann-Ouvertüre, von den drei weich gezeichneten Tutti-Akkorden an, steht bei Thielemann nicht im Zeichen des Schroffen von Lord Byrons Drama, sondern einer symphonischen Idee, die in den klanglich-harmonischen Lyrismen oder ihrem Verzweiflungston von den Münchner Philharmonikern raffiniert ausgeleuchtet wird. Dasselbe geschieht mit den zwei Orchesterliedern op. 51 von Richard Strauss nach Uhland ("Das Thal") und Heine ("Der Einsame"), komponiert 1902 und 1906. Bassist Kwangchul Youn formte die gleißnerisch eingefärbten Gesänge mit festem Wohllaut, und in Pfitzners Eichendorff-Lied "Zorn" traf er den aufrührerischen Tonfall. Erst Pfitzners "Lethe" (1926) auf Conrad F. Meyers Gedicht ließ wirklich aufhorchen: ein Meisterstück fahler Totenbeschwörung in sieben Strophen, Klage eines modernen Orpheus, gekleidet in eine bohrend zerrissene Tonsprache.

Robert Schumanns "Requiem" in Des-Dur op. 148 stammt aus den letzten Jahren vor Ausbruch der Depression und der Todeskrankheit. Seltsames Stück: eine katholisch-lateinische Kirchenmusik des Protestanten, eine emotional entrückte, überpersönlich "objektive" Musik für Ohren, die genau hineinhören in die sanften, fast nazarenisch anmutenden Vers-abschnitte. Es fehlen Drama und Kontrast. Thielemann, vier Solisten und der ausgezeichnete Philharmonische Chor machten das einzig Richtige, suchten nicht Schärfung der Dynamik und Deklamation oder danach, die Fugati aufzuheizen. Vielmehr wahrte man Distanz, verhalf reizvollen Klangfarben und feinen harmonischen Regungen zu ihrem Recht. Auch da blieb der Dirigent dem Treueverständnis von Wagners König Marke fest ergeben.

WOLFGANG SCHREIBER

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