Robert Schumann als Tannhäuser?
DER WESTEN, 30. März 2008
Sängerkrieg auf der Zeche
Von Monika Willer
Essen. Wenn Hans Neuenfels inszeniert, weiß das Publikum, dass es auf kulinarisches Opernvergnügen nicht hoffen darf. ...
Entsprechend teilten sich die Besucher nach der "Tannhäuser"-Premiere im Essener Aalto-Theater in begeisterte Bravo- und wütende Buh-Rufer.
"Tannhäuser" ist erst die zweite Wagner-Inszenierung des Regisseurs, dessen Interpretation von Mozarts "Idomeneo" in Berlin aus Angst vor islamistischen Übergriffen abgesetzt worden war. Und so richtig viel anfangen kann Neuenfels mit der Geschichte des Sängers nicht, der zwischen den Fronten von Lust und leibfeindlich-christlicher Liebe scheitert.
Denn er zeigt zusammen mit Bühnenbildner Reinhard von der Thannen den "Tannhäuser" nicht als durchinszenierte, in sich geschlossene Tragödie, sondern als beliebig-bunte Abfolge von teils symbolträchtigen, teils witzig gemeinten Assoziationen. Wichtig ist nur eins: Wagner-Pathos darf nicht aufkommen.
Religionskritik spielt häufig eine Rolle bei Neuenfels, so auch im "Tannhäuser". Im Venusberg werden schwarze Messen zelebriert, die Rompilger sind Hexer in roten Locken und schwarzem Sadomaso-Leder, und die Muttergottes stürzt von ihrem Sockel, während Elisabeth zu ihr betet.
Neuenfels inszeniert den "Tannhäuser" als Künstlerdrama. Der Künstler als Prototyp des modernen Ichs gerät in eine verwirrende Abfolge von verrückten Situationen und ist der Gesellschaft als Toter am liebsten, erst dann kann sie ihn gefahrlos verehren. Der Titelheld sieht entsprechend aus wie Robert Schumann - wozu das Irrenhaus im dritten Akt passen würde - oder wie Richard Wagner selbst, der ja bekanntlich ebenfalls mit den Extremzuständen seiner Künstlerpsyche zu kämpfen hatte.
Der Komponist ist vor allen Dingen im zweiten Akt, im Sängerkrieg, allgegenwärtig. Er wird von beflissenen Kammerzofen entstaubt und beobachtet das Wettsingen von der sicheren Warte eines Förderturmes aus.
Überhaupt ist die Sängerkrieg-Szene mit dem Zechen-Ambiente und hustenden Bergleuten ganz mit Blick auf die künftige Kulturhauptstadt angelegt. Das Alpenpanorama, Gastauftritte Ludwig II. von Bayern und eine Miniaturausgabe von Schloss Neuschwanstein schlagen gleichzeitig die Brücke zu historischem kunstambitionierten Größenwahn.
Neuenfels lässt die Handlung überwiegend an der Rampe spielen, sein "Tannhäuser" ist bewusst das Gegenteil von Ausstattungsoper. Dafür gibt es umso mehr Personal. Viele Statisten sorgen als Engel, Tiere und Teufel für Bewegung auf der Bühne. Neuenfels erzielt fantastische Raum-Klang-Wirkungen, etwa wenn der unglaublich gute Aalto-Chor im zweiten Akt aus den Parkett-Gängen aufmarschiert.
Intendant und GMD Stefan Soltesz hat für "Tannhäuser" mehrere, durchweg schlecht textverständliche Gäste an sein Haus geholt. Für den erkrankten Jeffrey Dowd sang Scott MacAllister die Titelpartie. Der amerikanische Tenor kommt locker über das Orchester, kann auch überzeugend den gebrochenen Tannhäuser nach der gescheiterten Romfahrt darstellen, aber sein Tenor klingt manchmal etwas zu unflexibel. Danielle Halbwachs findet als Elisabeth berückend keusche Töne für ihre jungfräuliche Liebe. Elena Zhidkova ist eine Venus mit hochdramatischen Mezzo-Akzenten. Heiko Trinsinger singt den Wolfram mit weichem baritonalem Schmelz.
Stefan Soltesz will das Italienische im "Tannhäuser" hörbar machen, und das gelingt dem Dirigenten mit den brillanten Essener Philharmonikern am besten in den Vorspielen. Hier verweigert er dem Publikum jedes Schwelgen in den bekannten aufschwingenden Melodien. Soltesz setzt dafür auf kammermusikalische Durchhörbarkeit, auf das kunstvolle Spiel der Holzbläser und Streicher und beweist, wie gut Wagner klingen kann, wenn man ein großes Orchester leise spielen lässt. Raffinierter kann Klangkultur nicht zelebriert werden, das geht allerdings ein wenig zu Lasten der Wildheit und der Emotionen, die ebenfalls in dieser Partitur stecken.
Wieder am: 4., 6., 12., 17., 23. April, 11., 22. Mai, 1., 7. Juni.
Karten: Tel: 0201 / 8122200.
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