Robert Schumann op. 23

Nachtstücke op. 23

1. Mehr langsam, oft zurückhaltend
2. Markiert und lebhaft
3. Mit großer Lebhaftigkeit
4. Ad libitum ¨C Einfach

Die vier Nachtstücke op. 23 entstehen im März 1839, als Schumanns recht unbefriedigend verlaufener Aufenthalt in Wien fast beendet ist. Der Komponist will nach Leipzig zurückkehren, in der Hoffnung, nun endlich eine offizielle Beziehung zu Clara Wieck aufbauen zu dürfen. In seinem Tagebuch notiert er, dass er an einer „Leichenphantasie“ schreibe. Später plant er für die einzelnen Stücke Überschriften, die er im Januar 1840 Clara vorschlägt: „1. Trauerzug“, „2. Kuriose Gesellschaft“, „3. Nächtliches Gelage“ und „4. Rundgesang mit Solostimmen“. Nicht zuletzt auch auf Claras Anraten hin fallen diese Titel bei der Drucklegung fort. Kurz nach der Komposition des ersten der vier Stücke erfährt Schumann vom Tod seines Bruders Eduard aus Zwickau und bemerkt, „wie merkwürdig meine Ahnungen; auch der Abschied von Eduard, und wie er noch so gut war, wird mir klar“.  Und führt weiter aus, dass sich in den Stücken mehrfach eine Stelle wiederhole, „die ist, als seufzte Jemand recht aus schwerem Herzen ,ach Gott‘ − ich sah bei der Composition immer Leichenzüge, Särge, unglückliche verzweifelte Menschen...“

Wie so häufig in seinen frühen Klavierwerken geht der letztlich gewählte Titel Nachtstücke auf literarische Vorlagen zurück, in diesem Fall auf E. T. A. Hoffmanns erzählerisches Werk, ohne jedoch inhaltlich weiter daran anzuknüpfen. Das erste Stück ist − insbesondere durch seine starre und dennoch gleichförmige Rhythmik sowie die Moll-Tonart − ein Trauermarsch, während in der zweiten Nummer markant polternde Akkordfolgen sowohl mit lyrischen als auch lebhaft drängenden Passagen in rascher Folge abwechseln. Das dritte Stück entpuppt sich als Walzer mit einigen überraschend eingefügten Episoden. Wie ein Lied ohne Worte kommt der Schluss-Satz daher, knapp und schlicht gehalten.

Die im Juni 1840 bei Pietro Mechetti in Wien veröffentlichten Nachtstücke op. 23 widmet Schumann seinem Freund Ernst Adolph Becker, Bergschreiber in Freiberg und später Bergrat in Dresden, der Amateurpianist und gut mit Clara Wieck und Robert Schumann befreundet war. Becker wurde frühzeitig in die verbotene Liebe zwischen Clara und Robert eingeweiht, übermittelte als deren engster Vertrauter zahlreiche heimliche Briefe und setzte sich stets für eine Verbindung der beiden jungen Leute ein. Schumann schreibt ihm zur Übersendung des Widmungsexemplars der Stücke, „Das erste und letzte werden Dir wohl am meisten zusagen.“

(Irmgard Knechtges-Obrecht)