Melancolia

Fono Forum, April 2010, Seite 80

Vor kurzem bedauerte Thomas Quasthoff ein schwindendes Interesse des Musikpublikums an Liedgesang. Die (Debüt?)-CD von Caroline Melzer und Anette Fischer-Lichdi vermag solchem Pessimismus durchaus frohgemut entgegenzutreten. Man erlebt eine Sopranstimme von sanft schimmerndem Timbre, welches in der Höhe zusätzliche Leuchtkraft erfährt. Die Pianistin beeindruckt mit klarem und doch warmem Anschlag; sie reagiert gleichermaßen präzise und flexibel auf den Gesang ihrer Partnerin. Von diesem Duo, welches unter anderem durch die Schule von Irwin Gage gegangen ist, darf man sich für die Zukunft noch einiges versprechen.
Das Recital ist klug und feinsinnig organisiert.

Die von den beiden Interpretinnen Ende 2008 in Antwerpen uraufgeführten „Lieder vom Tod“ von Stefan Heucke bilden den Abschluss. Sie dürften, da der Einführungstext komplett vom Komponisten stammt, für die Zusammenstellung der Zyklen (weiters Schumanns „Frauenliebe und –leben“ sowie Prokofjews Romanzen op. 27) der „Aufhänger“ gewesen sein. In ihnen allen ist „die Welt leer“, ob aus Liebeskummer, ob aus Schmerz über den Verlust eines nahen Menschen. Bei so viel Trauerstimmung tut es gut, dass Caroline Melzers fein getönter Sopran für Aufhellung sorgt, ohne die dunklen Gefühle zu verkleinern.

Heuckes Tonsprache vermag Emotionen dringlich mitzuteilen. Die Texte stammen von Hertha Kräftner, 1951 mit 23 Jahren freiwillig aus dem Leben geschieden. Die safte Bildhaftigkeit ihrer Sprache hat den Komponisten merklich inspiriert, die Wiedergabe unterstreicht das. Der Schumann-Zyklus erfährt eine individuelle Farbe, Prokofjews Miniaturen (russisch gesungen) die ihr gebührende Melancholie.

Christoph Zimmermann


Schumann, Prokofjew, Heucke, Lieder;
Caroline Melzer, Anette Fischer-Lichdi (2009);
Classic-clips/MW 4260113461136 (61’)