Märchenbilder

Fono Forum, August 2010, Seite 88

Die Textvorlage – nun ja. Auch wenn Robert Schumann die monströse Märchendichtung „Der rose Pilgerfahrt“ von Moritz Horn ordentlich gekürzt, gerafft und auch inhaltlich verändert hat, bleibt ihr literarischer Wert doch zumindest zweifelhaft: Die Geschichte von der Rose, einem Elfenwesen, das aus eigenem Wunsch heraus menschliches Leid und Freud erlebt und am Ende als Engel gen Himmel fährt, ist aus heutiger Perspektive doch reichlich kitschig. Zumal, wenn sie in so putziger romantische Reime gekleidet ist.
Doch Schumann hat sich von diesen Versen zu einer ganz bezaubernden Musik inspirieren lassen. Wunderbar farbig malt er eine idyllische Märchenwelt, mit luftigen Elfen und kernigen Jägern, aber auch zarten Liebesbanden und einer wirklich anrührenden Grabesszene.

Das rund einstündige Stück ist hier unter Leitung von Gerhard Jenemann in der wenig bekannten Originalfassung mit Klavier zu hören – mit dem großartigen Michael Gees am Flügel, dessen differenziertes Spiel des Sängern viel Freiraum für eine liedhaft feine Gestaltung lässt. Davon macht der wie immer sehr sorgfältige und warm timbrierte Tenor Christoph Prégardien ebenso Gebrauch wie seine vorzüglichen jungen Kollegen Michael Dahmen und Anna Lucia Richter: Für ihre gerade mal 20 Jahre ist die Sopranistin fast schon erschreckend gut.

Abgerundet wird der schöne musikalische Gesamteindruck durch ausnahmslos überzeugende, wenn nicht überragende Chorsolisten und einen klangschön agierenden Süddeutschen Kammerchor, der nur selten ein paar verzeihliche intonatorische Schwächen und die eine oder andere nicht ganz homogene Stimmgruppenmischung offenbar.

Marcus Stäbler

Schumann, Der Rose Pilgerfahrt; Christoph Prégardien, Anna Lucia Richter, Michael Dahmen, Michael Gees, Süddeutscher Kammerchor, Gerhard Jenemann (2009);
Carus/Note 1 CD 009350834507 (62’)