Ernst Rudorff (1840–1916)

Ernst Rudorff erhielt seinen ersten Klavierunterricht in Berlin von seiner Patentante Marie Lichtenstein, einer Freundin Clara Schumanns. Als die Lehrerin heiratete und in den Harz zog, wurde Ernst von seiner Mutter unterrichtet. Auf Empfehlung von Mariane Bargiel gaben Ernst Rudorffs Eltern ihren Sohn von 1850–1857 zum Klavier- und Kompositionsunterricht zu Woldemar Bargiel. Dieser machte ihn mit dem Werk Robert Schumanns vertraut und stellte den Schüler 1854 auch seiner Halbschwester Clara Schumann vor.

Vier Jahre später nahm Rudorff bei der verehrten Künstlerin einige Stunden in Berlin, und 1860 zeigte er Clara seine ersten Kompositionen. Sein Opus 1, Variationen für zwei Klaviere, widmete er „Frau Dr. Schumann in innigster Verehrung“. Die Widmungsträgerin setzte sich bei Breitkopf & Härtel für die Drucklegung ein und spielte die Variationen 1866 in Wien gemeinsam mit Julie von Asten. Clara Schumann unterstützte Rudorff, wo sie konnte, gab ihm Rat in kompositorischen Fragen und machte ihn mit Werken anderer Komponisten, vor allem denjenigen von Brahms bekannt.

Im Dezember 1863 ging Rudorff als Assistent von Julius Stockhausen nach Hamburg, zwei Jahre später übernahm er Bargiels Stelle am Kölner Konservatorium. Ab 1869 unterrichtete Rudorff an der Berliner Hochschule, an die 1874 auch Bargiel berufen wurde; beide waren Senatsmitglieder der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin und Mitarbeiter der Chopin-Gesamtausgabe. 1880 bewarben sie sich um die Nachfolge Max Bruchs in der Leitung des Sternschen Gesangsvereins, die Rudorff übertragen wurde – eine für Bargiel schmerzliche Entscheidung, da Rudorff der jüngere und sein Schüler war. An der Berliner Hochschule war Rudorff ab Juli 1882 Leiter der Klavier- und Orgelklasse. Er und Clara Schumann hatten auch gemeinsame Schüler. Clara schätzte Rudorffs pädagogische Fähigkeiten so hoch ein, daß sie ihm ihre Tochter Eugenie anvertraute.

Der Kontakt zwischen Clara Schumann und Ernst Rudorff war eng; Clara bat den Jüngeren bereits 1862, ihrer Tochter Elise bei der Suche nach Klavierschülern behilflich zu sein, Rudorffs Eltern nahmen vorübergehend den jüngsten Schumann-Sohn Felix auf, für Ferdinands Tochter Julie erbat Clara Konzertkarten. Rudorff arbeitete nicht nur an der Chopin-Ausgabe, sondern auch an der Revision der Opern Carl Maria von Webers mit und beteiligte sich an der Mozart-Gesamtausgabe der Königlichen Akademie der Künste.
Die Anfrage Clara Schumanns, an der Gesamtausgabe der Werke Robert Schumanns mitzuwirken, lehnte er jedoch aus Gründen der Arbeitsüberlastung dankend ab. In späteren Jahren bedauerte Clara Schumann oft, dass sie den Freund so selten sah, doch wurde der Kontakt bis zum Tod Clara Schumanns brieflich aufrechterhalten. Rudorff seinerseits verehrte und bewunderte Clara Schumann tief.

(J.M.N.)