Brandauer glänzte in ˚Manfred˚

Rheinische Post Nr. vom 08.05.2006
FEU Kultur

VON GERHARD BAUER

Brandauer glänzte in "Manfred"

Düsseldorf Lord Byron (1788-1824) und Robert Schumann (1810-1856) waren Seelenverwandte und Brüder im Geiste; da erstaunt es wenig, dass der exzentrische Brite den grüblerischen Deutschen immer wieder anzog.

Bedeutendstes Zeugnis dieser Affinität ist "Manfred", Byrons erstes Drama (1817), das Schumann in Gedanken zeitlebens beschäftigte, das er aber erst spät in Angriff nahm. Als Opus 115 wurde es 1852 in Weimar uraufgeführt; am Dirigentenpult stand kein Geringerer als Franz Liszt.

Ein Erfolg ist das schwierige, versponnene Werk nie gewesen, daran dürfte auch die glanzvolle Aufführung, die es zur Eröffnung des Düsseldorfer Schumann-Fests in der Tonhalle erfuhr, wenig ändern. Vor allem die Vielfalt der Ausdrucksmittel stellt Aufführungspraxis, Auffassungsgabe und Publikumsemotion vor Probleme.

Denn Schumann schuf zur Ergänzung des kolossalen Lesedramas nicht nur große Orchesternummern (die Ouvertüre ist als Konzertstück eigenständig), Chöre für jede Gemütslage (Geister-Hymnus, Klostergesang), Terzette für Sprechstimmen, Quartette für Solosänger, sondern auch mehrere Melodrame.

In dieser Kunstform (Hochblüte 18. Jahrhundert) ergänzen, kommentieren und widersprechen einander Sprechtext und Instrumentalmusik in unterschiedlichster Manier und Funktion. Als autonome Gattung sei Bendas "Ariadne auf Naxos" genannt, als Opern-Einlage gibt es Melodrame in Mozarts "Zaide" und Beethovens "Fidelio", zu den Textbuchautoren gehörte sogar Goethe ("Proserpina").

In Schumanns "Manfred" ist das Melodram in seinem geheimnisvollen Raunen nun willkommene Folie für die Leiden des Titelhelden, eines von Gewissensqualen geplagten Todsuchers - und dafür war Klaus Maria Brandauer, der Star des Wiener Burgtheaters, ein idealer Interpret. Seine spezielle Kunst und Begabung ist es nämlich, die Erwartung seiner Zuhörer an einen Text in Tonfall und Aussage ständig zu unterlaufen.

Und Manfred, fälschlich zum "britischen Faust" geadelt, denn sein (autobiografisch legitimiertes) Problem ist nicht das Goethesche "Habe, ach!", sondern das Leiden an der inzestuösen Liebe zu seiner Schwester - Manfred also klingt bei Brandauer immer eine Nuance anders, als er sich im Buch liest: Schöne Irritationen also, auch im Sinne der Zwei-Seelen-Menschen Byron und Schumann, vom leicht spöttischen Kabarettanklang des Beginns über die modulierenden Zwischenpassagen bis zum exaltierten Aufschrei am Ende.

Eine bedeutsame Leistung, hinter der in der Lobpreisung allerdings nicht zurückstehen sollte: die Intensität der Düsseldorfer Symphoniker unter John Fiore und die chorische Klangpracht des Städtischen Musikverein zu Düsseldorf (Marieddy Rossetto).

Ferner die (für ein paar Noten) mit Anja Harteros, Elisabeth von Magnus, Herbert Lippert und Robert Holzer luxuriös besetzten Vokalsolisten, sechs Sprecher schließlich, die als gehobene Stichwortbringer für Brandauers monologische Manie agierten: Jenny Deimling, Johanna Eiworth, Maria Hengge, Gerrit Jansen, Tomas Meczele und Walter Schmidinger. Rasender Beifall in der ausverkauften Tonhalle.


Datum: 20060508
1833717, RP , 08.05.06; Words: 416, NO: 162361811