1863-1873 Baden-Baden

Baden-Baden um 1850
Baden-Baden, um 1850, Reproduktion eines zeitgenössischen Stahlstichs

Da Clara Schumann von Oktober bis Mai auf Konzertreisen war, musste sie ihre sieben Kinder bei den Großeltern, bei Verwandten und Freunden, später in verschiedenen Pensionen unterbringen. Berlin war zwar ein Fixpunkt, wo die Familie gelegentlich zusammentraf, doch vermissten die Kinder einen Ort, der für alle ein Zuhause war. Ludwig, Julie und Eugenie waren getrennt untergebracht, Elise machte sich bald selbständig, und Marie begleitete Clara auf ihren Reisen. Ferdinand und Felix blieben in Pension in Berlin. Nur im Sommer trafen alle Familienmitglieder zusammen. Dies dürfte mit ausschlaggebend für Clara Schumanns spontanen Hauskauf in Lichtenthal bei Baden-Baden gewesen sein. Im Sommer 1862 weilte sie zu einem ersten längeren Besuch in dem reizend gelegenen, beliebten Kurort, und ihre Freundin Pauline Viardot-Garcia, die sich ebenfalls im folgenden Jahr hier niederließ, überredete Clara dazu, sich ein Häuschen zu kaufen.

Der Einzug wurde im Sommer 1863 von den ältesten Töchtern besorgt; Marie führte mit der Köchin den Haushalt. Clara widmete sich in den Sommern ganz ihren Kindern, gab ihnen selbst Klavierunterricht, trieb Sprachstudien in Englisch und Französisch mit ihnen, man las und musizierte gemeinsam und unternahm viele Spaziergänge. Die Kinder zählten diese Sommer zu den glücklichsten ihres Lebens, auch wenn es durchaus ein festes Tagesprogramm gab. Zahllose Besucher gingen im Haus Lichtenthal Nr. 14 aus und ein. Zum Teil wohnten diese im Haus selbst, wie Claras langjährige blinde Freundin Rosalie Leser aus Düsseldorf, oder sie wurden in der Nähe untergebracht wie ihre Mutter und ihre Halbschwestern Clementine und Cäcilie Bargiel, die im Sommer 1866 mehrere Wochen in Baden-Baden verbrachten. Einer der häufigsten Besucher war Johannes Brahms, aber auch Joseph Joachim, Julius Stockhausen, Anton Rubinstein, der Schweriner Kapellmeister Aloys Schmitt, Theodor Kirchner und Hermann Levi kamen. 1873 erhielt Clara Schumann unverhofft Besuch von der Schriftstellerin Fanny Lewald und ihrem Mann Adolf Stahr; der Fotograf Julius Allgeyer führte den Maler Anselm Feuerbach und seine Mutter Henriette bei Clara Schumann ein. Sowohl bei dieser als auch bei Pauline Viardot wurde musiziert, Clara trat zudem in einigen öffentlichen Konzerten in Baden-Baden auf.

Das Wohnhaus von Clara Schumann
Das Wohnhaus von Clara Schumann, Lichtental, Nr. 14, um 1865. Reproduktion nach einem Aquarell aus dem Robert-Schumann-Haus, Zwickau

Nach den anstrengenden Wintertourneen sollten die Sommer der Erholung dienen und die Pianistin sich ihrer Gesundheit widmen, doch Untätigkeit war für Clara Schumann undenkbar. Wurde die Hitze zu groß, verließ sie Baden-Baden und reiste in die geliebten Schweizer Berge.

Im September 1869 heiratete die dritte Tochter Julie in Lichtenthal den Grafen Vittorio Radicati di Marmorito und reiste von hier aus mit ihm auf sein Schloß Passerano in der Nähe von Turin – kein leichter Abschied für ihre Mutter, die sich immer um die zarte Gesundheit Julies sorgte. Auch nach dem Verkauf des Hauses 1873 kehrten Clara und ihre Töchter im Sommer oder Herbst oft hierher zurück, selbst wenn es manchmal nur für wenige Tage war.

Ein freudiger Tag in Baden-Baden war noch einmal Clara Schumanns 70. Geburtstag – den „Eintritt ins Greisenalter“ beging sie mit vielen Freunden und der Familie hier in der vertrauten Umgebung.

(Julia M. Nauhaus)